Helmut (Hömal)

Das Springen über Tische und Bänke

Ich bin mit zwölf Jahren nach Wien gekommen, in ein katholisches Internat, weil es der Wunsch meiner frommen Mutter war, dass ich Priester werde. Ich habe es aber psychisch net derpackt.

Ich hab mich dort nie wohlgefühlt, habe schwere Zwänge entwickelt. Den ganzen Tag und in der Nacht bin ich herumgerast, über Tische und Bänke gesprungen. Man hat mich zwar zur Psychotherapie geschickt, aber das hat nix genützt, also habe ich dort aufhören müssen. So ging die Entwurzelung, damals.

Von 1983 bis 1993 im Männerwohnheim der Heilsarmee habe ich so Sachen geschrieben, die mir eingefallen sind: kurze Geschichten, Tagebucheintragungen. Und eines Tages hat mich jemand darauf hingewiesen, dass es da so eine Zeitung gibt, die genau solche Sachen veröffentlicht. Das war Mitte der 1990er-Jahre, als mein Leben noch vom Alkohol geprägt war. Aber das ist jetzt lange her, und ich habe seit mehr als 21 Jahren keinen Tropfen mehr angerührt.

Die, die mich aufgenommen haben von der Heilsarmee, haben mir auch geholfen, dass ich diese kleine Wohnung erhalten habe. Wurzeln begannen (wieder) zu sprießen. Nach gedeihlichen Schreibarbeiten wuchs das Projekt «Stimmgewitter». Ich bin doch a bisserl musikalisch, und so hat sich das verfestigt, mit allem, was dazugehört – bis zu Tourneen nach Deutschland.

Pläne? Das Rauchen aufgeben wäre auch noch ein Ziel, muss aber nicht sein. Wenn’s so bleibt, ist’s auch okay. Die letzten 20 Jahre haben alles verändert, waren ein Game-Changer. Das waren die Rahmenbedingungen, dass ich damit auch Anerkennung finde.

Mir gefällt das alles ganz gut. Der Zeitungsverkauf weniger. Das war nie meine Stärke: Das Goschertsein, das Auf-mich-aufmerksam-Machen war net so meins. Aber jetzt komme ich aus, mit meiner Mindestpension.

Schwierig ist auch meine christliche Prägung. Manchmal habe ich mit Texten im Augustin meine Probleme, weil sie sehr linkslastig sind. Da bin ich oft – in den Diskussionen – allein auf einsamer Flur. Bei uns glauben’s an irgendeine Revolution am Ende, wo dann nachher das Paradies steht –, das ist nicht immer einfach. Trotz unterschiedlicher Weltanschauung verbindet uns dennoch das Unvereinbare.

Abgesehen vom Gruppendynamischen war es wichtig, dass ich, nachdem ich trocken geworden bin, wieder was für meinen Körper tue. Deswegen bin ich auch immer noch tätig, sogar im Fußballteam. Bei den Turnieren bin ich immer noch mit Leib und Seele dabei, lasse aber lieber die Jüngeren auflaufen. Beim Tischtennis fällt es mir noch leichter. Der Kreis schließt sich, solange man noch über Tische und Bänke springen kann.

Karl Weidinger hat dieses Gespräch anlässlich des 70. Geburtstages des Porträtierten auch für Radio Augustin aufgezeichnet. Es kann unter folgender Webadresse nachgehört werden: cba.fro.at/353678

Foto: Mario Lang 

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