Augustin 291 - 02/2011

Wenn das Geschäft nicht läuft, schlagen die Bettler zu

«Wie Gott, so lebt auch die Wirtschaft spartanisch, Letztere in einer Kammer, der Wirtschaftskammer, angesiedelt an einem Wirtschaftsstandort, der zum Wallfahrtsort verklärt wird. Die Bevölkerung wird zum Wirtschaftswehrdienst verpflichtet, wobei man sich nicht aussuchen kann, wie man der Wirtschaft am besten dient, ob als aktiver, in Arbeit stehender Kämpfer oder passiv, als Arbeitsloser; oder als jemand, der in Teilzeitarbeit, Kurzarbeit, Leiharbeit steht, der niederträchtigsten Form der Lohnsklaverei. Dümmeres Wirtschaften als das kapitalistische gibt es nicht.Es ist ein Kampf jeder gegen jeden. Das Kapital erklärt der Arbeit den Krieg, die Löhne sinken, die Profite steigen, und am Ende weiß man nicht, wohin mit den Erträgen, verjuxt sie und rettet sich in die Krise. Diese Wirtschaft kennt nur ein Prinzip, die Konkurrenz, und ein Ziel, den Profit ein sinnloser Kreislauf. Der Antrieb zur Konkurrenz besteht darin, die Konkurrenz auszuschalten, der Zwang zum Profit führt dazu, den Profit wiederum in den Konkurrenzkampf zu investieren. Die Rolle des Menschen in diesem Wirtschaftsfaschismus beschränkt sich darauf, geopfert zu werden.»

Welch ein radikales Manifest, und wie überraschend, dass es ausgerechnet über die «Presse» verbreitet wurde, deren Wirtschaftsteil der Verteidigung des Wirtschaftswehrdienstes gewidmet ist und deren Feuilleton den Dichter Michael Scharang dazu einlädt, rhetorisch mit dem Wirtschaftsfaschismus abzurechnen. Wenig überraschend in Wirklichkeit, denn Scharang stand das «Presse»-Feuilleton immer schon zur Verfügung, wenn ihn die Eskalation der Unrechtsverhältnisse zu einer Wortmeldung drängte.

Es bräuchte ein Manifest, das über das Scharangsche hinausgehend die Trennung der Menschen, die «zum Wirtschaftswehrdienst verpflichtet sind» (Scharang subsumiert hier richtigerweise auch die AMS-«Kunden»), von jenen, die aus dem Wirtschaftswehrdienst als Sündenböcke gänzlich ausgeschlossen sind (kommen im Scharang-Manifest nicht vor), nicht fortschreibt.

Die «Krone» nennt den ausgeschlossensten Teil der gänzlich Ausgeschlossenen: Profi-Schnorrer aus dem Osten. «Wenn das Geschäft nicht läuft, schlagen die Bettler zu»: eine «Krone»-Schlagzeile, die gegen Roma hetzt. Diese Klischees werden so lange wiederholt, bis auch KritikerInnen des «Wirtschaftsfaschismus» einander wechselseitig bestätigen, es habe überhaupt keinen emanzipatorischen Sinn, den BettlerInnen Geld zu geben. Ulyanova von der BettelLobby Wien hat aufgedeckt (Seite 10), wie unverfroren die Revolverzeitungen lügen, um die Roma als Verkörperung des Bösen schlechthin zu denunzieren. Der Ernst der Lage schreit nach einem Manifest, das in verständlicher Sprache mit der Idee vertraut macht, dass das Böseste (falls dieser Begriff eine soziale Realität beschreibt) eine um die BesucherInnen aus den nahen Roma-Ghettos erleichterte Großstadt ist: d i e urbane Anti-Utopie. Scharangs Terminus «Wirtschaftsfaschismus» wäre in diesem Fall um eine Dimension stimmiger

Der letzte Franziskus

Pfarrer Pucher: Totales Bettelverbot ist verfassungswidrig

Am Tag des Erscheinens dieser Augustin-Ausgabe tagte in der Steiermark der Unterausschuss des Landtages für Daseinsvorsorge. Dort sollte (falls der Terminplan des Landtags nicht modifiziert wurde) eine Novelle zum steiermärkischen Landes-Sicherheitsg… weiterlesen

Fit & fett durch Osterweiterung

«Gruppenbesteuerung» ist Klassenkampf von oben Aspekte der Raiffeisendominanz (Teil 8)

Zentral-, Osteuropa und Asien: An keinem Bankplatz fehlt das Giebelkreuz. Die Raiffeisen Bank International AG ist stolz auf eine einmalige Erfolgsgeschichte. Die wenigsten österreichischen Steuerzahler wissen, dass sie bei dieser Erfolgsgeschichte k… weiterlesen

Fliegendes Klassenzimmer

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Schulräume sind Container, in denen Fächer unterrichtet werden, keine SchülerInnen. Die Räume, in denen wir lernen und lehren, haben sich seit über hundert Jahren kaum verändert. Nach wie vor ist das Klassenzimmer im Format von 9 x 7 m der vorherrsch… weiterlesen

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Das Neue Wörterbuch des Teufels die letzte Folge

YZ

Yellow Press
Institutionalisierte Dummheit und beliebteste Ausrede der zahlreichen Dummköpfe in den sogenannten Qualitätsmedien.
Zahnspange
Eine technische Vorrichtung, die besonders gutgläubigen Teenagern von Dentisten eingepasst wird, damit sie sic… weiterlesen

und niemand pfeift sie zurück

Tierschützerprozess: Anklagebehörde traut sich nicht mehr umzukehren

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träumer-gastarbeiter

Gedichte

träumer-gastarbeiter

schau her ich schreibe ein gedicht
über mich und dich und uns und euch
und hin und her bla bla bla das ist mein
kleines poetisches melodramatisches
mein unvermeindliches gedankenspiel
nur damit wir näher zusammen k… weiterlesen

Single-Malts-Veltliner-Connection

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Unlängst auf der Schmelz: Am 252. Geburtstag von Robert Burns huldigten knapp 200 Menschen der schottischen Kultur mit allem, was dazugehört. Darunter auch Burns-Kenner Dieter Berdel, der bei dieser Gelegenheit sein drittes Bändchen trefflich ins Wie… weiterlesen

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