Augustin 314 - 02/2012

Die Fritz, die Steiner, und keine U-Bahn

Keine Werbung, keine Inserate auf der U4! Dieser Vorschlag fiel jüngst in einer Augustin-Redaktionssitzung. Warum ausgerechnet auf der U4? Warum nicht bei allen U-Bahn-Linien, meldete sich eine Sozialarbeiterin zu Wort. Solche Missverständnisse können entstehen, wenn eine Berufsgruppe voraussetzt, ihre Sprache sei allgemein verständlich.Und unser Team besteht nun einmal aus zwei Hauptberufsgruppen, den Sozialarbeiter_innen und den Journalist_innen. Auch Letztere ist gefordert, mit einer Fremdsprache vertraut zu werden. Wenn die Kolleg_innen von der Sozialarbeit etwa davon reden, dass jemand eine Supervision notwendig habe, heißt das ins übliche Deutsch übersetzt: Diesem Jemand wird mitgeteilt, dass man ihn für absolut inkompetent hält

In der Sprache der Medienschaffenden wird die hintere Seite einer Zeitschrift U4 genannt. U ist die Abkürzung von Umschlag, U4 bedeutet: die äußere, hintere vierte Seite des Heftumschlags. Im Inseratengeschäft gilt die U4 als bevorzugte Seite; gelingt es, sie an Inserenten wie das Sozialministerium oder die Mineralölerwaltung zu verkaufen, schafft das zwar Kohle, ist aber im Augustinfall besonders schmerzhaft: Die Weltliteratur-Comics der Künstlerin Magdalena Steiner, die die Augustin-Rückseite zur ästhetischsten Rückseite der Welt machen, müssten dann ausgerechnet dem Prinzip der Lüge weichen; etwas Positiveres über PR in Zeiten des Neoliberalismus fällt mir grad nicht ein.

Mit der aktuellen Ausgabe geht Magdalena Steiner bis zum Äußersten, was im Genre der Graphic Novel beziehungsweise als Symbiose von bildender Kunst und experimenteller Literatur gewagt werden kann. Nach ihren Comics-Debüts zu zwei Ausnahmetexten der Weltliteratur, Robert Musils «Mann ohne Eigenschaften» und James Joyces «Ulysses», wendet sich die «wichtigste Vertreterin der realistischen Kunst in Österreich» (Gerald Grassl in der Literaturzeitschrift «Tarantel») einer Schriftstellerin zu, deren quantitativ gigantisches Werk zum Rätselhaftesten zählt, was die österreichische Literatur zu bieten hat: Marianne Fritz, die 2007 in Wien starb. In einem Brief an ihren deutschen Verleger Unseld aus dem Jahre 1985 begründete sie ihre Weigerung, durch Trivialisierung ihres Schreibens den Lesenden entgegenzukommen: «Wer sich gegen meine Arbeit wehrt, der wird sich auch wehren, wenn ich da und dort, dort und da: vereinfache; Erfolgserlebnisse ermögliche, die genau besehen Niederlagen sind.»

Magdalena Steiner wehrte sich nicht gegen das Werk von Marianne Fritz; freilich wendet sie sich nicht dem «schwierigsten» Roman der Fritz zu, dem dreiteiligen «Naturgemäß», sondern dem Buch «Die Schwerkraft der Verhältnisse». Es war ihr erstes Buch, erschien 1978, enthielt noch das, was allgemein als «Handlung» geschätzt wird. «Ich kann nur in dem Maße Textstellen in Bilder übertragen, in dem ich Berührungspunkte zwischen dem Text und meinem Leben entdecke», erklärt Magdalena Steiner zu ihrem neuen Comics-Zyklus.

Marianne Fritz «versagte sich kompromisslos der Öffentlichkeit, gab keine Interviews und ließ sich nicht fotografieren. Ihr ging es um das Schreiben, und nur darum. Sie konnte im Zwiegespräch sehr herzlich sein, immer wieder aber schlug Bitterkeit durch über soziale Ungerechtigkeit, über den Gang der Geschichte und die Macht der Massenmedien» (Wendelin Schmidt-Dengler). Für Elfriede Jelinek ist sie eine der Größten. Magdalena Steiner wird es gelingen, die Gruppe der Fritz-Bewunderer zu vergrößern.

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