Augustin 352 - 10/2013

Die sogenannte gleiche Augenhöhe

In einem Land mit unterentwickelter Kultur des zivilen Ungehorsams ist es eine Freude, die Aktivitäten in Ebergassing, einer Gemeinde in der südlichen Umgebung Wiens, und in Hirschstetten, einem Ort im 22. Wiener Gemeindebezirk, mitzuverfolgen.

In Ebergassing will der aktive und in die Zukunft blickende Teil der Bevölkerung das geplante Mega-Logistikzentrum der Firma SPAR verhindern.Laut Plan soll es eine Fläche haben, die 18 Fußballfeldern entspricht. Den Anrainerinnen und Anrainern würde das Vorhaben 130.000 LKW-Fahrten pro Jahr bescheren. Das SPAR-Monster mit mehr als 80 Laderampen würde unmittelbar neben einer neu errichteten Einfamilienhaus-Siedlung liegen. Der Schwerverkehr würde eine Schneise des Lärms und der Abgase durch ein «Natura 2000»-Schutzgebiet schlagen. «Wenn ihr euren Lärm zu uns bringen wollt, bringen wir unseren Lärm zu euch», war die Devise des «Widerstands auf Rädern»: 50 Gegner_innen des SPAR-Projekts fuhren vor ein paar Tagen mit einem Bus nach Salzburg zur SPAR-Zentrale und zum Vorstandsvorsitzenden Drexler. Angeblich wurde zum ersten Mal in der Geschichte des Bürger_innenaktivismus Österreichs die akustische Bus- und LKW-Rückwärtsfahrwarnung zur Unterstützung eines Lärmprotestes angewandt.

In Hirschstetten ist eine geplante Stadtautobahn das Objekt der Wut. «Weltweit werden bereits Stadtautobahnen rückgebaut. In Wien will man den umgekehrten Weg beschreiten. Den wollen wir nicht mitgehen», betonen die Mitglieder der BI «Hirschstetten retten». Quer durch den Grüngürtel von Hirschstetten und Aspern soll eine 50 Meter breite, vier- bis sechsspurige Transitschneise durch dicht besiedeltes Wohngebiet sowie durch die Anlage der Blumengärten Hirschstetten gebaut werden.

Gern hätten wir Feedback zu unserer These von der «Bürgerbeteilungsfarce» (Seite 12). Was halten Sie von Beteiligungsverfahren oder Mediationen? Wir wissen mittlerweile, dass die aufsässigen Ebergassinger_innen von Vermittlungsverfahren, die nur zu schlechten Kompromissen führen würden, wenig halten. «Mediation würde uns nichts bringen, auch wenn sie uns von der Firma SPAR angeboten worden wäre», berichtet uns Judith Zeilinger, eine der Sprecher_innen der Bewegung. «Es ist eindeutig: Wir haben ein Kontra im Namen. Wir nennen uns Bürgerinitiative Kontra LogZentrum. Wir wollen nur eines: das Projekt an diesem Standort verhindern.» In Hirschstetten ist die Bereitschaft, an einem «Mitbestimmungs»-Prozedere mitzuwirken, nach den ersten sogenannten Bürgerbeteiligungsveranstaltungen sehr gesunken. Die eigentlichen Probleme, die Vierspurigkeit und die Trassenführung, durften laut Veranstaltungsregie nicht debattiert werden, berichteten die teilnehmenden BI-Mitglieder.

Ob Handelskapital (Ebergassing) oder Baukapital (Hirschstetten): In beiden Fällen geht es um Gegner, die eine Situation der gleichen Augenhöhe mit protestierenden Bewohner_innen nicht zulassen. Dass diese Erkenntnis sich verbreitet, ist auch einem Buch aus dem PapyRossa-Verlag zu verdanken, das in der Szene der Bürger_inneninitiativen die Runde macht: «Die Mitmachfalle. Bürgerbeteiligung als Herrschaftsinstrument» von Thomas Wagner. Die Dialogorientierung der Mediations- oder Partizipationsverfahren werde in aller Regel zum Bumerang, schreibt Wagner, wenn sie das Verhältnis zu einem politischen Gegner bestimmen soll, der ohnehin über die größeren Durchsetzungschancen verfügt. Das Einlassen auf solche Verfahren sei für Protestbewegungen deshalb gefährlich. Wie wahr. Im erwähnten Beitrag zur «Beteiligungsfarce» in dieser Ausgabe werden Beispiele dafür genannt …

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