Augustin 377 - 11/2014

Es lebe der Verein!

Zu den pessimistischsten Personen im Umkreis des Augustin-Gesamtprojekts zählt naturgemäß unser Rechtsberater. Wie niemand sonst ist er dazu «verflucht», den Niedergang der staatlichen und kommunalen Armutsbekämpfung zu begleiten. Die vielen Augustin-Verkäufer_innen, denen er Zugang zum Recht zu verschaffen versucht, sind Opfer der Sozialabbautendenz, die in Österreich zwar noch nicht die «griechische Dynamik» erreicht, aber aus der Phase der Verstecktheit zusehends in die der Evidenz voranschreitet. Befragt nach den derzeitigen Schwerpunkten seiner Beratungstätigkeit, nennt Willi J. drei Problemfelder.

Problemfeld 1: Augustin-Verkäufer_innen, die nichts lieber als einen Vollzeit-Job hätten, werden immer mehr in sklavenartige Arbeitsverhältnisse unter der so genannten Geringfügigkeitsgrenze (im Jahr 2014 sind dies 395,31 Euro monatlich) abgedrängt – falls sie überhaupt einen Job kriegen. Sie sind nicht arbeitslosenversichert – und eine Kranken- und Pensionsversicherung gibt es nur dann, wenn sich die Betroffenen freiwillig selbst versichern. Das ist vielen zu teuer. Willi J.: «Von privaten, gewinnorientierten Firmen ist in der gegenwärtigen Krise geradezu zu erwarten, dass sie solche Sklavenverträge bieten. Aber dass ich immer mehr Hilfesuchende habe, denen dasselbe in gemeindeeigenen Betrieben passiert, zum Beispiel in der MA 48, die sich durch die Geringfügigkeitsverträge auch die entsprechenden Dienstgeberabgaben erspart, zeigt die soziale «Kompetenz» der rotgrünen Regierung deutlich auf.»

Problemfeld 2: Ein Klient hat das Glück gehabt, bei einem staatlichen Unternehmen ein Jahr lang vollzeitbeschäftigt zu sein. Der automatische Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung sollte in diesem Fall klar sein. Diese jedoch wird dem Betroffenen unter dem Vorwand, er hätte die Arbeitslosenunterstützung nicht korrekt beantragt, verweigert. «Auf diese Weise kommen vor allem Menschen, die sprachlich nicht kompetent sind, um die Unterstützung, zu der der Staat eigentlich verpflichtet wäre.»

Problemfeld 3: Nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz können verarmte Menschen Hilfe «in besonderen Notlagen» beantragen. Eine Augustin-Verkäuferin berichtete, dass beim zuständigen Amt ihr entsprechender Antrag gar nicht entgegengenommen wurde. Für den Rechtsberater ist das ein Hinweis mehr auf eine systematische Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes: Die Beamt_innen können absolut willkürlich entscheiden, wem sie die Notlage zubilligen und wem nicht.

Informationen wie diese – nämlich aus der komplexen und vielfältigen Realität des «Gesamtkunstwerks Augustin» – wären vor ein paar Jahren noch einer paradoxen Selbstzensur zum Opfer gefallen. Der Augustin dürfe nicht zum «Vereinsblattl» versimpeln, das verlangte die etwas blasiert anmutende Philosophie des Projekts. Sollen andere über uns (gut) sprechen – wir selbst halten uns vornehm zurück, so lautete der patzige Imperativ. Wie sehr wir uns davon befreit haben, erkennen Sie an dieser Ausgabe. Wir stellen unsere literarische Mitarbeiterin Jella Jost vor (Seite 5), berichten über einen jesidischen Scheich, der Augustin verkauft (Seite 6), würdigen den Triumph der Augustin-Ballesterer beim «Cup der guten Hoffnung» (Seite 12) und die Arbeit einer engagierten Schüler_innengruppe, die den Augustin-Innenhof in einen bunten Schanigarten für die Verkäufer_innen verwandelte (Seite 14). Schließlich erfahren Sie auch, warum unser grenzgeniales «Stimmgewitter» am 11. November zu einer großen Party lädt (Seite 24).

Gedanken zum «Weltspartag», oder:

Die Indoktrination der Kinder

Am 31. Oktober werden alljährlich Raiffeisen-Mitarbeiter_innen auf Kinder losgelassen – aber nicht nur dann …Bereits in sehr jungen Jahren fieberte ich dem Oktoberende entgegen. Es nahte nämlich der Weltspartag, und da gab es Geschenke – von der Ra… weiterlesen

Eine feministische Kolumne gehört in den Augustin

Jella Jost

Nein, Musik habe ich nicht studiert. Musik habe ich einfach mein Leben lang gemacht. Das erste Mal auf einer Bühne gesungen habe ich aber erst mit 38. Das war relativ spät, zu spät. Mit Musik habe ich mir aber auch schwerer getan als mit Theater.

F… weiterlesen

Das Volk des Engels Pfau

Entsetzen in der jesidischen Community in Wien

Augustin-Verkäufer Muraz wäre fassungslos, wenn ihn jemand als «Ungläubigen» bezeichnete. Er ist unter den in Wien lebenden Jesidinnen und Jesiden eine Art Priester. Aus der Sicht der Milizen des «Islamischen Staates» sind die Jesiden nicht nur Unglä… weiterlesen

Nonantola, Lampedusa …

Gut, dass es Schlepper_innen gibt

«Wie sind diese drei Grenzen überwältigt worden? Das war schwierig. Die Flucht der jüdischen Kinder dauerte insgesamt über viereinhalb Jahre!» Klaus Voigt aus Berlin sprach auf der Wiener Tagung ««Schleppen», schleusen, helfen.Flucht zwis… weiterlesen

Lasst uns schlafen!

Für eine Entkriminalisierung des Schlafs im öffentlichen Raum

Österreich ist ein Entwicklungsgebiet in Sachen Schlafkultur, und ein verfassungsmäßig zugestandenes «Recht auf Schlaf» ist noch Illusion. Ein Beispiel aus Floridsdorf zeigt, wie mit Schlafenden nicht umgegangen werden sollte.

Fotos: David Schmidhof… weiterlesen

Maßmöbel für Kolporteur_innen

In St. Hanappi Geweihtes fand den Weg in den Augustin-Innenhof

Mehr als eine Handvoll Jugendliche verbrachte Mitte Oktober drei Tage im Augustin-Headquarter, um sich in den Dienst der guten Sache zu stellen. Die Schüler_innen des GRG-21-Schulschiffs legten sich mächtig ins Zeug – obwohl es für sie ein Sprung ins… weiterlesen

Halt Dich am Stimmgewitter fest!

Grantiger als Danzer, räudiger als Rio Reiser

Zwei Jahre nach dem Album «Übers Meer» beendet das Stimmgewitter Augustin seine Tonträgerveröffentlichungspause. Mit einer Vinyl-Single, darauf zwei neue Lied-Perlen.

Foto: Mario Lang

Die Geschichte des Stimmgewitter Augustin nachzuerzählen, wü… weiterlesen

Vor 30 Jahren im besetzten Haus

«So eine Figur wie Falco haben wir in Deutschland nicht gehabt»

Die deutsche Band Element of Crime wurde im März 1985 in Westberlin gegründet. 2015 feiert die Band runden Geburtstag, und vor kurzem wurde das neue Album «Lieblingsfarben und Tiere» veröffentlicht. Aus diesem Anlass besuchten uns Sänger und Texter S… weiterlesen

Steyr ist überall

Teilerfolg einer bunten Straßenmusik-Lobby

Otto Lechner und das Ziehharmonische Orchester. Anne Bennent. Paul Gulda. Marwan Abado. Thomas Gansch von Mnozil Breass. Georg Breinschmid. Bertl Mütter. Stefan Sterzinger. Jelena Popržan. Agnes Heginger. Krzysztof Dobrek. Bluespumpm-Zappa. Und viel… weiterlesen

eingSCHENKt: Aus Kund_innen sollen wieder Menschen werden

Es begann in Schweden in den 90er Jahren mit der Kommunalisierung der Schule ohne Zielsteuerung. «Die Rathäuser hatten weder Mittel noch Erfahrung», analysiert der schwedische Bildungshistoriker Hans Albin Larsson. «Es gab keine konkreten Qualitätsst… weiterlesen

aufglegt: MY HOUSE IN SPAIN

«Reykjavik» (CD)
(Ugly Tree Records)
www.myhouseinspain.org
Dieses Haus steht hörbar nicht unbedingt in Spanien, auch nicht zwingend in Reykjavik. Denkbar wär irgendwo dazwischen, droben am Berg oder drunten im Waldviertel, auf jeden Fall im Abseits…. weiterlesen

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