Baustelle – Bitte Entschuldigung!Dichter Innenteil

Während ich studierte, musste ich oftmals zwischen ihrem Elternhaus Graz und Wien pendeln. Auffallend dabei ist, dass sich dreißig Jahre danach am Bahnhof Meidling nichts Wesentliches verändert hat. Die Bahnsteige waren schon damals eine Dauerbaustelle und sind es bis heute geblieben. Wo die Schnellzüge ankommen, gibt es keinen Lift nach unten, also müssen alle Reisenden ihre Koffer und Kinderwägen selber runtertragen.Überhaupt muss man sich in Wien vor Bretterverschlägen sehr in Acht nehmen, sie können nämlich überall und jederzeit überraschend auftreten, ob es jetzt die Rolltreppe hinauf ist oder die neue U-Bahn-Station, man wird in jedem Falle (manchmal über zugige Brücken über dem Niveau des sonstigen Verkehrs, teilweise durch verwinkelte Tunnels unter der Erde) weitläufig umgeleitet, während dahinter natürlich die fleißigen Bienen wüten.

Davon muss es in Wien ziemlich viele geben, denn uups … neulich komme ich zum Praterstern, schon ist ein neues Riesenvordach da, das mir vor wenigen Tagen noch nicht positiv aufgefallen ist. Sie werden jetzt sagen, dass Verschläge nötig sind, um die Stadt langfristig zu verschönern. Ja, sie haben Recht.

Dennoch, was ist mit der Psyche von uns Fußgängern? Ich fahre zum Südtiroler Platz, plötzlich ist es dunkel, weil überplattet dann wieder hell, weil Platte weggenommen. Komme ich zum Busbahnhof, der ist verlegt. Will ich in den Botanischen Garten fahren via Gürtel, da führt plötzlich eine Abzweigung über den Quellenplatz. Ich suche den Übergang zur nächsten Straßenbahn, den gibt es nicht mehr. Die Bim steht um die Ecke, jedenfalls nicht an ihrem gewohnten Platz. Fragst du nach: Was, das wussten Sie nicht, ist eh schon seit ein paar Stunden!

Bin ich in der U-Bahn-Station Landstraße, fahren alle Züge in beide Richtungen auf einem Gleis. Der Aufgang nach hinten ist heute nicht möglich, dafür ist der nach vorne (ja natürlich) mit einem Bretterverschlag versehen, den ich erst umrunden muss, um zur S-Bahn zu gelangen.

Dazwischen gibt es noch einen Schienersatzverkehr wo ansonsten die Nachtbusse stehen zwischen Schwedenplatz und Friedensbrücke, oder es hat sich zufällig wer vor die Gleise geworfen, woraufhin die Staatspolizei auf unbestimmte Zeit ermittelt. Es kostet schon manchmal Nerven, mit den Öffis zu fahren, und teilweise ist man auch froh, dorthin gekommen zu sein, wohin man eigentlich wollte.

Vergessen habe ich noch die oftmaligen Reparaturen an defekten Stellen, bösartige Sabotageakte der nicht immer rücksichtsvollen Mitbürger und die Aufzüge: Die sind, wie jeder Wiener weiß, immer sinnvoll platziert, nämlich meist am anderen Ende des normalen Umsteigeortes. So kommt man als gehbehinderter Mensch zu ein paar Gratis-Rolleinheiten und wunderbarer Aussicht auf viele vorbeirauschende Kraftfahrzeuge, der persönliche Energieverbrauch wird dabei natürlich nicht mitberechnet bzw. rückvergütet, wenn man es so möchte ich jetzt spekulieren überhaupt schafft.

Über Baustellen auf der Straße will ich mich jetzt nicht äußern, die sind vergleichsweise unauffällig gegenüber jenen der Bahnhöfe. Autofahrer werden das natürlich bestreiten, jeder sieht halt nur seine Perspektive. Nochmal zum Mitschreiben: 1) Praterstern, 2) Meidling, 3) Westbahnhof, 4) Südbahnhof, 5) Südtiroler Platz, 6) Landstraße gleichzeitig und parallel.

Da kann schon Verzweiflung aufkommen, und diese wird sich wohl noch enorm steigern, wenn alle Gebäude des näheren Einzugsbereiches dieser zukünftigen Großanlagen gesprengt werden. Na dann, Pfiat Gott, möchte ich nicht in unmittelbarer Nähe sein.

Sich zwischen bröckeligen, künstlichen und staubigen Mineralstoffen durchwühlen zu müssen, ist für ein ansonsten naturverbundenes Wesen nicht gerade lustig. Lieber wären mir schon ein paar Granit-Felsen aus dem Waldviertel zum Sonnen. Eins muss ich aber bescheiden zugeben: Die neu U2 gefällt mir schon ganz gut, und sie ist auch sehr modern ! ! !

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