Edvard Munch und ein Peanut Butter Shake

Dichter Innenteil

Aus der KulturPASSage

So, nun ist es also so weit. Mein erster Albertina-Besuch. Wer mich dorthin gelockt hatte? Edvard Munch, dessen Bilder in der bis 2016 dauernden Ausstellung «Liebe, Tod und Einsamkeit» gezeigt werden.

Bild: Privatsammlung Courtesy Galleri K, Oslo © Reto Rodolfo Pedrini, Zürich

Edvard Munch «Madonna, 1895, nach 1902», Lithografie

Ich habe ein Plakat davon in einer U-Bahn-Station bewundert und die morbide Schönheit des Ausschnitts der «Madonna», die darauf zu sehen war, zog mich sofort in ihren Bann, sodass mein Besuch beschlossene Sache war. Ich machte mich also, bewaffnet mit meinem Kulturpass, auf den Weg dorthin. Die Albertina ist durch ihre Karlsplatz-Nähe sehr gut erreichbar, und als ich mich durch die im ersten Bezirk üblichen Touristenmassen geschlängelt hatte, gelangte ich über eine Rolltreppe zum Eingang.

Ich betrat Edvard Munchs Welt. Beim Eingang wird den Besuchern in Kurzform Munchs Leben, Wirken und sein Stil inklusive Daten erörtert. Bei dieser Ausstellung werden ausschließlich grafische Werke Munchs gezeigt, überwiegend Holzschnitte und Lithographien, die beide Druckgrafik-Techniken sind. Er beschäftigt sich mit existenziellen Fragen und ist auf der Suche nach dem, was das Leben ausmacht. Obgleich er dabei meiner Meinung nach etwas zu schwermütig den Blick auf das Vergängliche dieser Grundstrukturen richtet.

Das erste Bild, das ich mir ansah, war ein Selbstporträt Munchs. Sein Gesicht taucht aus dem schwarzen Nichts auf, und am unteren Bildrand befindet sich eine Skeletthand. Darüber sind sein Name und das Datum geschrieben. Es wirkt wie das Bild eines Geistes, obwohl sein Gesicht normal anmutet, und für mich steht es für die Tatsache, dass Munch die Vergänglichkeit des Seins auch bei sich selbst akzeptiert hat.

Als ich in den nächsten Raum komme, ist sie da, meine Madonna, und das gleich in vier verschiedenen Versionen. Dort habe ich mich hingesetzt und sie beobachtet. Sie hat die Andeutung eines Heiligenscheins auf dem Kopf, und ich finde, sie sieht aus als würde sie gerade sterben, angeblich empfängt sie aber gerade, sagen die Kunstmenschen. Das Bild hat einen Rahmen, in dem Spermien zu sehen sind, und in der linken unteren Ecke sitzt der Tod, der auf mich wie ein Kobold wirkt.

Die morbide Schönheit der ‹Madonna› zog mich sofort in ihren Bann

Erheitert hat mich ein Bild, das «Im männlichen Gehirn» hieß und einen Männerkopf zeigte, über dem, wie könnte es anders sein, eine nackte Frau schwebte. «Anziehung 1 und 2» widmen sich der Liebe. Ein Mann und eine Frau sehen sich an, ihre Haare werden möglicherweise durch den Wind auf ihn geweht, wie Fäden, die ihn an sie binden, oder Arme, die nach ihm greifen. Es hatte den Anschein, als ob Munch die Frauen vielleicht auch ein Stück weit als Bedrohung für den Mann sah. Das kam mir bei mehreren Bildern so vor. Trotzdem hatte es etwas sehr Liebevolles.

Im nächsten Raum sind da «Zwei Menschen. Die Einsamen» in gleich sechs verschiedenen Versionen, die Mann und Frau an einem Strand vor dem Meer zeigen. Sie stehen nebeneinander und doch sind ihre Seelen Äonen voneinander entfernt. Wunderbar dramatisch. Des weiteren sind noch erwähnenswert: «Zwei Frauen am Meeresufer», «Loslösung», «Asche 1 und 2» und die Grafikversion von «Der Schrei», die ich persönlich nicht so überragend finde.

Nach der Ausstellung hatte ich, aufgrund der permanenten, visuellen Konfrontation mit der Vergänglichkeit, sehr gemischte Gefühle. Schwarz-Romantische und auch ein Hauch Traurigkeit waren dabei. Ich beschloss, die Schwarz-Romantischen bleiben zu lassen, und den anderen kaufte ich einen großen Peanut Butter Shake, dann waren sie auch zufrieden.

Fazit: Die Edvard-Munch-Ausstellung ist definitiv sehenswert, und die Albertina wird mein neues Monsterprojekt.

INFO:

Edvard Munch «Liebe, Tod und Einsamkeit»

Bis 4. 1. 2016

Albertina

Albertinaplatz 1, 1010 Wien

www.albertina.at