Es lebe die Revolution!Dichter Innenteil

Ihr da oben, wer und was immer ihr seid und wer immer noch stolz darauf ist, dort dabei zu sein, schnallt euch an! Jawohl, lasst uns die Bastille stürmen! Reißt die Mauern nieder! Zerlegen wir die festgefahrenen Systeme! Legen wir die Finanz, die nur für einige wenige wirklich gut funktioniert, in Schutt und Asche! Unter die Guillotine mit der Ungerechtigkeit! Allons! Allez! Vive la Revolution!

Und das Ganze werden wir ein wenig subtiler angehen als bisher gewohnt. Ihr werdet es nicht merken, bis ihr es bemerken werdet. Kürzlich kam die Sprache bei Kaffee und Kuchen auf vermeintlich lapidare Dinge wie schief hängende Bilder oder schief montierte Lichtschalter. Das ist manchen egal, die meisten aber reagieren darauf. Einige reden sich schiefe Dinge gerade, so wie ungerechte Dinge korrekt gequatscht werden, weil es halt angeblich nicht anders geht. Viele begradigen die Dinge aber, so sie dazu in der Lage sind. Manche leben mit schiefen Dingen, aber nicht gut.Beim Kaffeegespräch wurde erzählt von einem gnadenlos schief montierten Lichtschalter. Die Monteure meinten, ist ja nicht schlimm, oder? Ein dritter meinte: unerträglich. Was auch meine Meinung ist. Der Raum, in welchem dieser Lichtschalter sich nach wie vor in schiefer Position befindet, ist in der Zwischenzeit außer Betrieb. Genau daraus schlussfolgern wir: Der Raum wurde schlicht unerträglich. Eine Kleinigkeit wie ein schief montierter Lichtschalter setzt einen Raum oder zumindest seine Brauchbarkeit außer Gefecht. So etwas will genutzt werden. Und nicht einmal im metaphorischen Sinn, ganz und gar nicht. Tatsächlich werden es schief montierte Dinge sein, die alles durcheinander bringen werden. Man muss den Lichtschalter nur ein klein wenig, beinahe unmerklich schief montieren. Und ein paar andere Dinge aus dem Lot bringen, wofür gibt es denn die schönsten Sprichwörter, wenn sie nicht in die Tat umgesetzt werden? Beweisen wir die Chaostheorie! Eine manipulierte Wasserwaage wird das Symbol der nächsten Revolution sein. Bringt die Lichtschalter und andere Kleinigkeiten aus dem Lot! Hängt Bilder ein wenig schief, in den Chefbüros hängt doch immer Kunst, während in den Sklavenbüros nicht einmal Zettel hängen dürfen! Architekten der Revolution, manipuliert die rechten Winkel! Werft die Unterdrücker schleichend aus der Bahn! Lassen wir sie wahnsinnig werden! Wenn das überhaupt noch geht! Produzieren wir einen Wahnsinn in den Führungsebenen, der nicht dem Rest der Menschheit weh tut! Irritiert das System! Nervt die Chefetagen! Regt euch nicht auf über sie, das regt sie am meisten auf! Gebt ihnen keine Aufmerksamkeit mehr! Reinigungspersonal der Welt: Stellt die Tische immer ein klein wenig um!

Eine englische Forschungsgruppe hat im Übrigen versucht herauszufinden, welche Berufsgruppen wie viel zum Allgemeinwohl beitragen unter Berücksichtigung vieler Faktoren, wie etwa den direkten Nutzen der eigenen Leistung für andere. Erstellt wurde eine alternative Kosten-Nutzen-Rechnung. Das Ergebnis ist sehr interessant und nicht überraschend: Viele hochdotierte Jobs bringen kaum eine allgemein zuträgliche Umwegsrentabilität mit sich, während Reinigungspersonal beispielsweise eine sehr hohe aufweisen kann, da durch sorgfältige Reinigung unter anderem die Verbreitung von Krankheiten reduziert wird und somit wirtschaftlich einen höheren Beitrag liefert wie vergleichsweise ein Börsenspekulant, der Unmengen an Geld verdient und wieder in den Sand setzt. Also: Los gehts! Ab jetzt wird manipuliert! Ab jetzt wird schief geschraubt und umgestellt! Und, ihr Größenwahnsinnigen da oben: Wir sind auch oben! Seht zu, wie ihr die Dinge wieder ins Lot bekommt! Wenn der letzte Lichtschalter mit den restlichen Waag- und Lotrechten nicht mehr parallel geht und eure Nerven unheilbar blank liegen, werdet ihr erkennen, dass es Sinn macht, Löhne so zu gestalten, dass sich Monteure wenigstens einen schiefen leisten können und keinen Anlass mehr haben, eure eigenen schief zu montieren.