Siebenundzwanzigster Erster NullfünfDichter Innenteil

«Wäuma a Aungst hot vua seina eiganen Haund» wie sehr passt doch diese Liedzeile aus einem genialen Song von Hansi Lang auf das, was mich an diesem ungewöhnlichen Tag so erschütterte! Es hat heute eine Unmenge Schnee heruntergehaut, in den ich mich nachmittags stürzen musste, weil unser Augustinchor, der sich manchmal wie Schlimmgezwitscher anhört, eben dieses Lied für den bevorstehenden Protestsongcontest einstudiert. Ich hatte mich vorher mit Kaffee und Kokoskupperln gestärkt und beim Anblick des reinen Weiß fröhlich die Wohnung verlassen.Draußen spielten zwei begeisterte Nachbarskinder, und ich wollte meine Freude mit ihnen teilen, weshalb ich ihnen auch die süße Köstlichkeit anbot. Sie schüttelten energisch den Kopf, vor den jetzt sie mich stießen, denn bisher wurde ich von ihnen um Naschereien angebettelt! Hatten es ihnen die Eltern verboten und erklärt, der Zuckerlonkel wolle sie damit nur in den Keller locken, um ihnen Böses anzutun? Diese Vorstellung kränkte mich, aber es kam auch die Angst in mir hoch, vielleicht ein uneingestandener Pädophiler zu sein, der nur eine Rechtfertigung für so eine Untat suche, aus unbefriedigter Sexualität oder Rache für seine verachtete Männlichkeit!

Das musste ich loswerden und besprach es mit drei Chorkollegen, die mir beruhigend erklärten, wegen der Sensationslüsternheit der Medien werde gerne Hysterie und Panik verbreitet, wo es sich wie in meinem Falle nur um einen harmlosen Kinderfreund handle, der sich bei den Kleinen für die entzückende Spontaneität bedanke, die für den alleinstehenden Alten so kostbar sei. Und es ist sogar wahrscheinlich, dass krankhafte Persönlichkeiten sogar erst durch mediale Anreize versucht werden, sich an Kindern zu vergehen! Ernsthafte Beschäftigung mit dieser grauslichen Sache, die unbedingt öffentlich geführt werden sollte, würde dann beiden Seiten helfen, Opfern wie Tätern, nicht wahr?

Da in den Pausen genug Zeit dafür war, erzählte der Offenherzigste von den dreien aus der Zeit, wo er als Würstelgandhi, weil so dürr wie ich, Nachtarbeit leistete und wie er mit aggressiven Besoffenen fertig wurde. Er legte ein beeindruckendes Zeugnis von Pazifismus damit ab, denn in haarigen Situationen habe er in aller Ruhe darauf gewartet, wo beim Gewaltbereiten der wunde Punkt zu finden sei. Auf diesen habe er sanft getippt und mit einem beruhigenden Gespräch die Bedrohung deeskaliert. Da dachte ich mir spontan, ich habe doch Jesus als Retter in jeglicher Not, und schickte ein stummes Stoßgebet zum Himmel, er möge mich doch in den Augenblicken, wo mein Geist verdunkelt und meine Seele vergiftet ist, davor bewahren, in die Rolle eines Täters oder Opfers gedrängt zu werden!

Nun ist so eine Chorprobe ja nicht in erster Linie eine Gruppentherapie, also wurde auch fleißig und mühsam in einer endlosen Wiederholungsschleife für den erhofften Sieg beim Protestsongcontest geübt. Wie befreit war ich dann, dass uns der ehrgeizige Kapellmeister früher als geplant entließ, weil die manchmal strenge Chormama heute nicht dabei war! Trotz des vielen Schnees kam ich lange vor Mitternacht heim und freute mich über das glitzernde, unschuldige Weiß, das den Dreck der Stadt einige Zeit lang gnädig zudeckt, bis es zu schmelzen beginnt und sich dessen grauslicher Farbe langsam anpasst. Da ich ja an einem sehr ruhigen Platzerl in der Vorstadt wohne, wurde mir bewusst, wie wichtig doch eine naturnahe, friedliche Umgebung für das Entfalten und Erblühen der Persönlichkeit ist. So bitte ich den Allmächtigen am Ende dieses aufregenden Wintertages, er möge das Wachsen und Werden in mir und der Welt über das Verkümmern und Zerstören triumphieren lassen, das wie ein epidemischer Virus in seiner wunderbaren Schöpfung grassiert!