Das Schmunzeln des Kardinalstun & lassen

Wie Raiffeisen aus dem Stephansdom eine Filiale machen wollte

Heute: keine theologische Betrachtung, keine Analyse, weshalb Raiffeisen-Ezzesgeber und Diktator Engelbert Dollfuß Katholik war, aber doch das Thema Raiffeisen und römisch-katholische Kirche: wie die Giebelkreuzler aus dem Stephansdom eine Filiale machen wollten.Auch wenn es nicht brandaktuell ist: Die geplante und dann verhinderte Verbauung eines Teils des Stephansplatzes mit tatkräftiger Beteiligung von Raiffeisen-Generalanwalt Christian Konrad ist ein exemplarisches Beispiel für das Verhalten von sozialdemokratischem Wiener Rathaus und schwarzer Bezirksvorstehung im Ersten Wiener Gemeindebezirk, wenn der Generalanwalt seine Wünsche äußert. Der Reihe nach: An der östlichen Seite des Stephansdoms sollte ein unterirdisches Besucherzentrum entstehen. Es war das Prestigeprojekt des Obmannes

des Vereins «Rettet den Stephansdom», Christian Konrad, der jahrelang dem Rettungs-

Verein vorstand. Nie wurde erklärt, wovor der Dom denn gerettet werden

sollte, vor den Erkenntnissen des Zeitalters der Aufklärung oder vor anständiger

und gerechter Behandlung von Frauen in seinem Inneren oder gar vor einem Kardinal, der gerne mit Buben duscht? Konrad ließ uns im Unklaren. Es macht sich gut in der publicitygeilen Charitywelt, einem Verein zu präsidieren, der sich um ein Stück suggerierter österreichischer Identität kümmert dem in Stein erbauten Zentrum des hiesigen Katholizismus, dem Stephansdom. Also, die Kirche sollte aufgepeppt, ein Besucherzentrum in den Keller gegraben und dann kräftig hinausposaunt werden, dass die Katholizisten des Landes und die vielen fremdländischen Besucher dies alles

der «Bauern-Selbsthilfe»-Banken-Versicherungs-Industrie-Agrarindustrie-Bau-

Tourismus-Spielcasino-und-was-sonstnoch-alles-Organisation zu verdanken

hätten. Geplant war eine groß dimensionierte Abgangsrampe, die Verlagerung der Dombauhütte unter die Erde und eine entsprechend große Aufzugsanlage für

die Notwendigkeiten der Dombauhütte. Veranschlagte Kosten in der Höhe

von kolportierten 12 bis 17 Millionen Euro schreckten den gewichtigen Raiffeisen-

Führer nicht ab. Das Vorhaben hätte dem Stephansplatz seine Weitläufigkeit

genommen und wurde von renommierten Stadtplanern als absolutes No-Go empfunden. Fur das Projekt gab es keine geeignete Flächenwidmung, Anrainer ergriffen im notwendigen Behördenverfahren Rechtsmittel, doch das Wiener Rathaus stand auf der Giebelkreuzlerseite und mittels einer Ausnahmegenehmigung fur «Bauwerke vorübergehenden Bestandes» erreichte ein Baubescheid Rechtskraft. Die ÖVP-Bezirksvorsteherin Ursula Stenzel unterstutzte den Plan. Ob die Kirchenleitung den Begriff «Bauwerk vorübergehenden Bestandes» im Zusammenhang mit der römisch-katholischen Kirche, die regelmäßig ihren ewigen Charakter thematisiert, als Demütigung empfand oder ob dieser Begriff ein Schmunzeln auf des Kardinals Lippen zauberte, ist nicht überliefert. Doch dann gab es Wickel. Der derzeitige

Wiener Kardinal Christoph Schönborn (nicht Dompfarrer Toni Faber, der

ist für die «Seitenblicke» zuständig) argumentierte gegen die hohen Baukosten

mit dem Hinweis, die römisch-katholische Religionsgemeinschaft hätte

derzeit durch den anhaltenden Mitgliederschwund andere Sorgen und müsse

an nur jedem erdenklichen Platz sparen und sagte als Eigentümervertreter der

Liegenschaft Stephansdom «Nein» zum Vorhaben des Konrad. Eine Auseinandersetzung

gab es daruber, dass Konrad finanzielle Mittel des Vereins «Rettet des Stephansdom» für den Bau heranziehen wollte, die Statuten jedoch besagen, dass mit den Vereinsmitteln die bestehende Baustruktur erhalten werden solle. Herrn Generalanwalt Dr. Konrad sagt man nicht «Nein» (österreichische Realverfasung, §1, Absatz 1). Konrad quittierte sein Präsidentenamt im Verein und zog sich zurück. Dabei hatte alles

so gut angefangen. Als Konrad zum Obmann gewählt wurde, applaudierte er Schönborn, als dieser den Stephansdom als «Zeichen des Reiches Gottes mitten unter uns» nannte. Konrad gilt gemeinhin als mächtig. Es ist wohl eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet der Kirchenmann Schönborn, Führer einer Organisation, deren Macht im Sinken begriffen ist, die Macht des obersten Giebelkreuzlers begrenzte. Vielleicht erzählt uns eines Tages der sozialdemokratische Rathaushäuptling, was ihn getrieben hat, sich auf die Seite des Jägermeisters zu stellen.