Die gläsernen Mieter_innentun & lassen

Wohnungsmarkt und dreiste Fragen

Eine Frau sieht eine Wohnungsanzeige auf einer Internet-Plattform und ruft das zuständige Makler_innenbüro an. Sie sucht eine Wohnung zum Mieten und möchte einen ­Besichtigungstermin ausmachen. Was sie gefragt wird, erstaunt sie. Dürfen die denn das? Ruth Weismann hat sich erkundigt.

Illu: Much

Frau S.: Guten Tag, ich rufe an wegen Ihrer Wohnungsanzeige auf willhaben, ich würde mich für diese Wohnung interessieren.

Makler: Wo leben Sie jetzt?

Frau S.: Im 3. Bezirk.

Makler: Warum wollen Sie ausziehen? 

Frau S.: Ich suche einfach eine neue Wohnung.

Makler: Aber was ist der Grund?

Frau S.: O.k., also ich lebe hier mit meinem Freund und unserem Kind, die Wohnung wird zu klein, und ich will in eine eigene kleine Wohnung in der Nähe ziehen.

Makler: Aha, also ziehen Sie da alleine hin, oder zieht das Kind mit?

Frau S.: Warum wollen Sie das wissen?

Makler: Also, was ist der Grund für den Auszug? Ist der Grund Trennung?

Frau S.: Ich wüsste nicht, was Sie das angeht …

Makler: Ja, wissen Sie, wir sind da sehr genau und möchten schon wissen, an wen wir eine Wohnung vermieten. Wir rufen auch bei Ihrem jetzigen Vermieter an, sowie bei Ihrem Arbeitgeber, und wir möchten genau wissen, warum Sie eine neue Wohnung suchen, denn heutzutage weiß man ja nie …

Klingt übertrieben?

Das Gespräch hat genauso stattgefunden, die Autorin dieser Zeilen war anwesend und bass erstaunt. Freundin S. legte ziemlich erbost auf und fragte: «Ist das normal? Darf der das überhaupt?» Gute Frage! Darf ein_e Makler_in dermaßen persönliche Fragen stellen? Fragen, die das Lebens- und Familienmodell betreffen?

Wir fragen bei dem Wohnrechtsexperten Christian Boschek von der Arbeiterkammer Wien (AK) nach. Der reagiert ebenfalls erstaunt und stellt fest: «Das ist unüblich, also Standard ist das nicht.» Dass derart persönliche Fragen gestellt werden und dass der/die Arbeitgeber_in kontaktiert werden soll, sei ungewöhnlich, so Boschek. Die Frage sei auch, was man den/die Arbeitgeber_in überhaupt fragen wolle. Was allerdings sehr häufig vorkomme, seien Fragen nach dem Einkommen, beziehungsweise wird überhaupt ein Einkommensnachweis verlangt. Verpflichtend ist dies, wenn man sich um eine geförderte Wohnung bemüht, oder oft auch bei Genossenschaftswohnungen, da man nicht zu viel verdienen darf, um eine solche zu bekommen. Im privaten Altbau gibt es diesbezüglich keine Verpflichtung, es wird aber immer mehr zum Usus, auch hier Einkommensnachweise zu verlangen. Hauptsächlich, so Boschek, gehe es Makler_innen und Vermieter_innen nämlich um die Bonität ihrer (potenziellen) Mieter_innen. «Es werden da schon persönliche Dinge wie Beruf, Arbeitsplatz und Einkommen abgefragt, um die Bonität der Interessent_innen einschätzen zu können.» Nach dem Einkommen zu fragen sei allerdings ohnehin fragwürdig, da dies bloß eine Momentaufnahme sei, es könne sich ja jederzeit ändern, durch Jobverlust oder Jobwechsel etwa. Aber dass Vermieter_innen diesbezüglich sicher gehen wollen, sei verbreitete Praxis. Dass hingegen beim Arbeitsplatz angerufen wird, das hat Boschek bislang noch nicht gehört. «Das ist nicht Standard.»

Mieter_innenausweis.

Zumindest noch nicht. Denn die Frage nach der zunehmenden Durchleuchtung der Mieter_innen ist akut. «Mit Sorge sind Entwicklungen zu sehen, dass eine Art Mieter_innenausweise von Verwaltungs- oder Vermieter_innenseite angefertigt werden», sagt Christan Boschek. «Da geht es darum, Daten zu sammeln, mit denen das Wohlverhalten der Mieter_in bestätigt werden soll. Damit würde Tür und Tor geöffnet, um Druckmittel zu erzeugen, mit denen Menschen vom Wohnungsmarkt ausgeschlossen werden, etwa weil einer mal einen Rechtsstreit mit einer Hausverwaltung geführt hat.» Laut Boschek gibt es von Hausverwaltungen und Makler_innen bereits die Idee, eine derartige Datenbank einzuführen. So etwas werde diskutiert, umgesetzt sei das noch nicht. Es sei auch die Frage, wie das rechtlich dann zu handhaben wäre, die kommende Datenschutzrichtlinie könnte da eine Rolle spielen. Die Idee einer Mieter_innendatenbank werde jedenfalls als positiv präsentiert, zugutekommen würde das aber nicht den Mieter_innen. Wird Frau S. noch eine Wohnung bekommen, wenn bekannt ist, dass sie sich schon rechtlich gegen den zu hohen Mietzins in ihrem Altbau gewehrt hat, und sie zweitens mit ihrer neuen Freundin in eine eigene Wohnung ziehen möchte, während ihr Mann mit dem Kind in der alten bleibt?

«Diskriminierende Fragen muss man nicht beantworten, so etwas wie Fragen nach einer Schwangerschaft oder Religion zum Beispiel», sagt der Experte. Man kann hier sogar auch einfach nicht die Wahrheit sagen, denn: Beantworten muss ich rein rechtlich gar nichts. Aber verboten sind die Fragen nicht. Bei Antwort-Verweigerung wird man einfach die Wohnung nicht bekommen. Was Vermieter_innen jedenfalls hoffentlich bekommen werden, sollte die «Mieter_innen-Datenbank» Realität werden: Große Proteste!