Die Polizei im Kompetenz-Testtun & lassen

Große Busse, dunkle Hintermänner: Salzburger Bettlerphobien

Salzburg. In der Stadt, wo alljährlich der Jedermann unter den Augen der finanzkräftigen Weltelite von seiner Geldgier und Habsucht abschwört, ist Betteln seit den 70er Jahren verboten. Warum ein Theaterstück so gar keine Auswirkungen auf das Leben, die Gesellschaft und die Gegenwart hat, ist wohl darauf zurück zu führen, dass die Salzburger Festspiele seit jeher kein Kunst-, sondern ein Selbstdarstellungsevent der Eliten sind: Wer in Salzburg bettelt, kann mit Strafen bis zu 500 Euro rechnen.

In einem Online-Artikel der ORF-Nachrichten hieß es am 19.9., dass Bettler gezielt mit Bussen nach Salzburg gebracht und oft von kriminellen Hintermännern zum Betteln gezwungen werden. Um die Hintergründe dieser Berichterstattung genauer zu beleuchten, haben wir beim Salzburger Stadtpolizeikommandanten nachgefragt. Eindeutige Fakten gibt es keine, sondern Berichte, Beobachtungen, Gedanken und die Notwendigkeit, in der Festspielstadt Armut unsichtbar zu machen. Das Ziel dieser ORF-Berichterstattung ist umso eindeutiger: Hilfe suchende Menschen werden pauschal kriminalisiert und ihre moralische Integrität und die Legitimität ihres Handelns wird ihnen abgesprochen. Hat das Bild von den Hintermännern und den Bussen die Bevölkerung erst mal durchdrungen, ist sie auch bereit, noch härteren Strafen und Verboten zuzustimmen.

Augustin: In den ORF-Nachrichten wurden Sie zitiert, dass die Menschen gezielt mit Bussen zum Betteln nach Salzburg gebracht werden. Wie kann man sich das vorstellen?

Oberst Lindenthaler: Ich denke, dass es nicht nur in Salzburg so ist, sondern dass es auch in den anderen Landeshauptstädten und Ballungszentren so der Fall ist, dass Bettler aus dem ehemaligen Osten nach z.B. Salzburg gekarrt werden, dort ausschwärmen und dann die Bettelei betätigen.

Hat das die Polizei in Salzburg beobachtet?

Wir haben solche Beobachtungen gemacht, wir wurden aber auch von Außenstehenden darauf aufmerksam gemacht, dass Busse im Bereich des Bahnhofs anhalten, um dort gezielt die Bettler aussteigen zu lassen, sie dann in Gruppen aufgeteilt werden und entweder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln oder zu Fuß die bestimmten Plätze in der Stadt an neuralgischen Punkten aufsuchen.

Die Menschen werden also zum Betteln gezwungen, das wäre dann ja Nötigung oder Menschenhandel?

Nein, davon kann man sicher nicht reden.

Also werden die Leute nicht gezwungen zum Betteln? Sie fahren nur gemeinsam mit dem Bus hierher?

Ob sie gezwungen werden oder nicht, das entzieht sich unserer Kenntnis, Tatsache ist, dass die in Gruppen bzw. einzeln auftreten und an bestimmten Plätzen die Bettelei durchführen.

Wissen Sie, wo die Menschen übernachten?

Das ist uns zum Teil unbekannt bzw. werden die wieder eingesammelt und fahren eben dann wieder in die nächste Landeshauptstadt oder fahren wieder retour.

Was heißt eingesammelt?

Eingesammelt heißt eingesammelt. Genauso, wie sie mit dem Bus hergebracht werden, werden sie vom Bus wieder abgeholt.

Also der Bus fährt die Runde durch die Stadt und holt dann …?

Nein, nein, da gibts einen bestimmten Treffpunkt, wo sich die Bettler treffen und von da werden sie mit dem Bus abgeholt und entweder nach Hause oder an einen unbekannten Sammelpunkt gebracht.

Es heißt ja immer, es gäbe eine Bettelmafia. Glauben Sie, dass hinter diesen Busfahrten eine Mafia steckt oder haben Sie diesbezügliche Erfahrungen gemacht?

Das kann ich nicht sagen.

Da gibts also nur Vermutungen?

Wir haben überhaupt keine Vermutungen, ob da die Mafia dahinter steckt, aber wir gehen davon aus, dass es organisiert ist.

Also organisiert im Sinne von: dass da jemand abkassiert?

Das wissen wir auch, dass es unter den Bettlern bestimmte Hierarchien gibt und dass es Personen gibt, die von Bettler zu Bettler gehen und denen bestimmte Geldbeträge abnehmen damit die Exekutive nicht soviel Geld von ihnen wegnehmen kann.

Haben Sie so eine Person schon mal aufgegriffen?

Das ist sehr schwierig, weil die natürlich schauen, wo die Polizei am Weg ist, und wir sind ja in der Regel in Uniform unterwegs, um auch präventiv zu wirken, weil wir uns da ja auch leichter tun beim Einschreiten als in Zivil.

Aber woher haben Sie dann die Kenntnis, dass jemand durchgeht und abkassiert?

Weil uns das von den Bettlern gesagt wird, die wir aufgreifen, dass ihnen das Geld abgenommen wird bzw. weil man eben auch die Beobachtung gemacht hat.

Also, dass ihnen das Geld abgenommen wird von jemandem, für den sie betteln?

Ob sie für den betteln oder nicht, das können wir nicht sagen, aber Tatsache ist, dass es Menschen gibt, die genau schauen, wo die Bettler stehen und dass die nicht zuviel Geld dabei haben.

Es wäre ja Menschenhandel und Nötigung, wenn jemand jemand anderen zum Betteln zwingt.

Nein, das ist es absolut nicht. Warum? Er zwingt ihn ja nicht, er geht nur her und nimmt ihm das Geld vorläufig ab. Ob das dann wieder ausgegeben wird oder aufgeteilt wird, das entzieht sich ja unserer Kenntnis.

Was passiert mit den BettlerInnen, die die Strafe nicht zahlen können?

Die Bettler, die die Strafe nicht bezahlen können und ein zweites oder drittes Mal betreten (erwischt, Anm. d. Red.) werden, bekommen selbstverständlich eine Anzeige. Und wenn sie ein zweites oder drittes Mal betreten werden, bekommen sie die entsprechende Strafverfügung zugestellt und müssen die Strafe innerhalb von zwei Wochen bezahlen. Und sollte das nicht passieren, kann es die Ersatzfreiheitsstrafe zur Folge haben.

Wie wird mit Bettlern mit Kindern umgegangen?

Auch Bettlerinnen mit Kindern sind unterwegs. Im Gegensatz zum Wiener Landessicherheitsgesetz, das das unter Strafe stellt, ist das in Salzburg nicht der Fall.

Weil es in Salzburg ja ein generelles Bettelverbot gibt?

In Wien ist das Landessicherheitsgesetz etwas verschärft worden, da steht auch unter Strafe, wenn man Jugendliche mitnimmt zum Betteln, da genügt es, wenn man Kinder mitnimmt. In Salzburg ist das nicht der Fall.

Laut ORF-Artikel verlangen Sie, dass die Strafe von 500 auf 700 Euro erhöht wird. Warum?

Es ist so, dass im Landessicherheitsgesetz eine Maximalstrafe vorgesehen ist von 500 Euro. Das Wiener Landessicherheitsgesetz sieht eine deutlich höhere Strafe von 700 Euro vor und ich würde die strengeren Bestimmungen vom Wiener Landessicherheitsgesetz bevorzugen, weil eben da schon das Mitführen von Kindern unter Strafe steht und weil höhere Strafen abschreckend sind.

Aber in Wien gibt es ja kein generelles Bettelverbot, sondern ein Verbot von aufdringlichem, aggressivem und organisiertem Betteln.

Da sind die Landespolizeistrafgesetze ja ähnlich. Es gibt in Wien, egal wo das ist, genauso ein Bettelverbot wie in Salzburg und Innsbruck. Ich weiß nicht, was Sie damit meinen, mit generellem Bettelverbot. Betteln IST verboten. Punkt.

Nein, das gibts in Wien nicht. In Wien ist aufdringliches, aggressives und organisiertes Betteln verboten und seit 2008 gibt es ein Bettelverbot mit Kindern.

Wie meinen Sie das, dass das in Wien nicht generell verboten ist, das Betteln?

In Wien ist das aufdringliche, aggressive und organisierte Betteln verboten und das Betteln mit Kindern.

Ich komm jetzt leider Gottes nicht ins Internet hinein, also kann ich den genauen Wortlaut nicht nachschauen.

Wir haben in Wien recherchiert und sind draufgekommen, dass BettlerInnen im Familienverband nach Österreich kommen, also dass sie zu zweit oder zu dritt

(unterbricht) Ja, das kann natürlich auch sein.

Und diese Busgeschichte haben wir in Wien und Graz auch nicht gefunden. Es hat mich gewundert, dass die Situation in Salzburg so eine ganz andere ist, deswegen wollte ich da nachfragen. Wir haben in Graz und Wien nie BettlerInnen getroffen, die mit gecharterten Reisebussen gemeinsam anreisen, sondern sie fahren im Familienverband und mit öffentlichen Verkehrsmitteln aus Osteuropa hierher.

Na ja, es ist, wie ich gesagt habe, es ist so, dass teilweise die Bettler mit Bussen, mit wirklich großen Bussen hierher gekarrt werden, dass die Leute in der Stadt ausschwärmen, betteln, wieder eingesammelt werden, zurück fahren, oder zu irgendeinem bestimmten Treffpunkt, das ist Faktum. Faktum ist auch, dass in Graz das Betteln eher toleriert worden ist oder wird, das ist in Salzburg eher nicht der Fall, dass man es toleriert. Wir wollen es nicht tolerieren, speziell im Sommer während der Festspielzeit, wo viele Gäste da sind und das einfach kein gutes Bild macht, wenn in der Getreidegasse oder sonst in der Altstadt viel gebettelt wird.

Im ORF-Artikel ist eine illegale Zeltstadt im Süden von Salzburg erwähnt. Waren da auch Menschen, die zum Betteln nach Salzburg gekommen sind? Woher waren die Menschen?

Das kann ich nicht sagen, woher die waren. Da ist das Magistrat hingefahren und hat die Bettler dort sozusagen vertrieben. Man hat die ganzen Gegenstände, die dort gefunden wurden, sichergestellt und hat die Zelte abbauen lassen, weil das illegales Campieren ist und weil es Verunreinigungen durch Unrat und so weiter gegeben hat. Aber das ist Aufgabe der Gemeinde, Magistratsabteilung 1, Amt für öffentliche Ordnung.

Mit dem Salzburger Stadtpolizeikommandanten sprach Ulli Gladik.