Ein Mann für alle Fälle?tun & lassen

Raiffeisen: für die Öffentlichkeit nur Frohbotschaften

Raiffeisen huldigt der Ansicht, dass keine Presse die beste Variante der Öffentlichkeitsarbeit darstellt. Dazu gehören in dem größten heimischen Konzern absolut loyale Mitarbeiter vor allem auch in Spitzenpositionen, die im Fall von Wickel den Weg an die Öffentlichkeit scheuen. Raiffeisen hilft bei der Durchsetzung dieser Strategie der Besitz von Schüsselmedien des Landes und die überragende Rolle als Auftraggeberin von Anzeigen. Schmutzwäsche wird nicht gewaschen: An die Öffentlichkeit dringen gewöhnlich nur Frohbotschaften wie «Auf Raiffeisen ist immer Verlass» (Steirische «Kronen-Zeitung» vom 14. Juni 2010).Wo gehobelt wird, fallen Späne, heißt es im Volksmund. Auch bei Raiffeisen läuft nicht immer alles rund. Ein Lied davon singen kann Mag. Erwin Hameseder. Er trat 1987 in die Rechtsabteilung der RLB Niederösterreich-Wien ein, fungiert seit 2001 als Generaldirektor der Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien und agiert seit 2007 überdies als Generaldirektor RLB Niederösterreich-Wien. Mit diesen beiden Posten gehört der Reserveoffizier zum Hochadel im Reich des Giebelkreuzes.

Hameseders starke Position wird von der Liste seiner Aufsichtsratsmandate unterstrichen. Der studierte Jurist aus Mühldorf, wo die erste Raiffeisenkasse gegründet wurde, ist in den Aufsichtsgremien folgender 16 Unternehmen verankert:

Vorsitzender-Stellvertreter des Aufsichtsrates der Agrana Beteiligungs AG

Vorsitzender-Stellvertreter des Aufsichtsrates der Agrana Zucker, Stärke und Frucht Holding AG

Mitglied des Aufsichtsrates der Flughafen Wien Aktiengesellschaft

Vorsitzender-Stellvertreter des Aufsichtsrates der Mediaprint Zeitungs- und Zeitschriftenverlag Gesellschaft

Vorsitzender des Aufsichtsrates der NÖM AG

Vorsitzender-Stellvertreter des Aufsichtsrates der NÖM International AG

Mitglied des Aufsichtsrates der Raiffeisen Bausparkasse Gesellschaft

Mitglied des Aufsichtsrates der Raiffeisen Informatik

Mitglied des Aufsichtsrates der Raiffeisen Zentralbank Österreich Aktiengesellschaft

Vorsitzender-Stellvertreter des Aufsichtsrates der Strabag SE

Mitglied des Aufsichtsrates der Uiniqa Versicherungen AG

Vorsitzender des Aufsichtsrates der Z&S Zucker und Stärke Holding AG

Mitglied des Aufsichtsrates der VK Mühlen AG/Hamburg

Mitglied des Aufsichtsrates der Südzucker AG/Mannheim/Ochsenfurt

Vorstandsmitglied der Leipnik-Lundenburger Invest Beteiligungs AG

Vorstandsmitglied der Raiffeisen-Revisionsverband Niederösterreich-Wien

Darüber hinaus übt Hameseder Geschäftsführerfunktionen in verschiedenen Konzern- und Beteiligungsgesellschaften der Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien aus, die insgesamt rund 156.000 Arbeitsplätze kontrolliert. Man fragt sich, wie dieser Tausendsassa seine Kontrollaufgaben unter einen Hut bringt und darüber hinaus als verantwortlicher Wirtschaftskapitän agiert?

Ein dunkler Punkt scheint im offiziellen Lebenslauf des viel beschäftigten Mutifunktionärs nicht auf: das verwirrende Hin und Her als Mitglied des Aufsichtsrats des Flughafens Wien, der bekanntlich über einen Syndikatsvertrag von den Bundesländern Niederösterreich und Wien gesteuert wird. Im Mai schied Hameseder wegen Arbeitsüberlastung, wie es offiziell hieß, aus dem Gremium aus. Die «Kronen-Zeitung» vermutete seinerzeit allerdings, dass dafür eine von ihm betriebene freihändige Vergabe eines Bauauftrags an eine Raiffeisen-Firma ausschlaggebend gewesen sei.

In einer im September desselben Jahres angesetzten außerordentlichen Hauptversammlung kam dieser Deal nicht zur Sprache. Hameseders Mandat wurde sang- und klanglos von Dr. Burkhard Hofer übernommen. Als Vorstandsvorsitzender der EVN gehört bzw. gehörte auch er zum inneren Kreis der Tafelrunde von Landeshauptmann Erwin Pröll im landeseigenen Wirtschaftsbereich.

Am 31. August 2001 gab es erneut eine außerordentliche Hauptversammlung. Sie hatte vor allem den Zweck, die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder von neun auf zehn zu erweitern und die Herren Erwin Hameseder und Claus Raidl in das Gremium zu wählen. Als wortgewaltiger Sprecher der Kleinaktionäre wies Willhelm Rasinger auf den Widerspruch hin, dass der NÖ-Protegé nach einer rund fünfjährigen Mitgliedschaft wegen Arbeitsüberlastung ausgeschieden sei, nun aber wieder tatkräftig in der wegen des Skylink-Desasters heiklen Position aktiv werden will. Hameseder führte ins Treffen, dass er vom Land Niederösterreich zur Rückkehr gedrängt worden sei.

Die in der Hauptversammlung anwesenden Kleinaktionäre nahmen dieses Vorhaben nur mit Protest zur Kenntnis. Da ihr Stimmpotenzial sich allerdings lediglich im Promillebereich bewegte, hatte ihr Nein praktisch kein Gewicht. Nur so viel wurde deutlich, dass Hameseder wesentlich mehr Gegenstimmen als Raidl erhielt. Nun kann Prölls Vertrauensmann wieder schalten und walten, wie es seinem Herrn gefällt. Womit wieder einmal klar wird, wie eng verknüpft die Aktivitäten von Raiffeisen und der ÖVP (über Landwirtschaftskammern, Bauernbund, ÖVP-Landeshauptleute und Gesamtpartei) sind.