Fakten und Fake Newstun & lassen

Sachbuch: Wirklich wahr!

Wo es Interessen gab, lag Faktisches mit Fake News immer schon im Streit, das arbeitet Simon Hadler in seinem äußerst dichten und lesenswerten Buch heraus.Bloß haben sich die Wissensquellen und somit ihre Manipulierbarkeit vervielfacht. Hier liefert der Autor anhand konkreter Beispiele ein brauchbares Brevier, wie sich gelassen und differenziert Kurs halten lässt zwischen naiver Faktengläubigkeit und hysterischer Faktenverweigerung. Und so erläutert er nicht nur, wie Fake News zustande kommen, welche Ideologien ihnen zugrunde liegen, sondern auch wie mit richtigen Fakten selektiv falsche Schlüsse gezogen werden, wie Vorurteile, apokalyptische Ängste geschürt, aber auch – z. B. mit positiven Umweltnews – das Gewissen dort sediert wird, wo eigentlich Beunruhigung am Platz wäre. Den kurzen Kapiteln geht ein Essay voraus, in dem auch der Konkurrenzkampf der Aufmerksamkeiten am digitalen Markt analysiert wird. Von bloßer Gebrauchsjournalistik hebt sich Hadlers mitunter witziger, essayistischer Stil ab. «In diesem Meer an Fakten schwimmen wir, winken hysterisch und wollen gerettet werden vom Dampfer der Gewissheit, jeder von uns ruft: Nimm mich mit! Doch die Gewissheit ist in weiter Ferne, ein Relikt der Vergangenheit wie ein Stern, den wir noch sehen, obwohl er schon vor Millionen von Jahren verglüht ist. Was wir finden, ist nicht Gewissheit, nicht Wahrheit, diese Schlacht müssen wir verlorengeben. Was wir brauchen, ist hingegen eine Haltung im Umgang mit Fakten. Wir müssen schwimmen lernen im Datenozean».

Diesen poetischen Ausflug in die Postmoderne wollen wir ihm aber nicht ganz abnehmen, zumal Hadler dankenswerterweise sehr wohl an Wahrheit(en) und Gewissheit(en) gelegen ist, etwa wenn es um mediale Hetze gegen Geflüchtete geht, wo er ja schon lange vor seinem Buch wertvolle Aufklärungsarbeit geleistet hat. Und dass Faschismus und ein destruktiver Turbokapitalismus reale Gefahren und kein Alarmismus faktenvergessener Linksradikaler sind, wie er dann doch unterstellt, ist längst politologische Lehrmeinung, so aufgeregt ihm das in den sozialen Netzwerken auch vorkommen mag. Der goldene Mittelweg ist, wie Schönberg wusste, eben der einzige Weg, der nicht nach Rom führt. Nichtsdestoweniger ist Hadlers Schwimmkurs im Datenozean ein unverzichtbares Stück Aufklärung auf der Höhe der Zeit. Elementar auch sein Imperativ: Empörung zahlt sich nur aus, wenn man sich gefälligst auch gegen das Empörende engagiert, sonst sei es gleich besser, sich zu entspannen.

Richard Schuberth

Simon Hadler

Wirklich wahr! Die Welt zwischen Fakt und Fake

Deuticke 2017, 271 Seiten, 22 Euro