FrÄG-liche Neuheitentun & lassen

Das Fremdenrecht hat eine Novelle bekommen

Bei Themen, aus denen politisches Kleingeld zu schlagen ist, geht die Regierungsarbeit oft schnell.  Wie beim FrÄG, dem Fremdenrechtsänderungsgesetz. Anfang Oktober beschlossen, soll es im November schon in Kraft treten. Christof Mackinger hat sich von der Deserteurs- und Flüchtlingsberatung in Wien darüber informieren lassen, was das für die Lebensrealität Asylsuchender bedeutet.

Illu: Karl Berger

Die ehrenamtlichen Berater_innen der Wiener Deserteurs- und Flüchtlingsberatung (kurz: Dessi) kennen das schon. Es ist eine im Asylbereich oft angewandte Vorgehensweise der Legislative: Man verabschiedet verfassungswidrige Gesetze, die dann über den Gang zu den Höchstgerichten erst wieder verfassungskonform angepasst werden müssen. «Wobei die Verfassungskonformität noch lange nicht bedeutet, dass die Gesetze dann im Einklang mit unserer politischen Auffassung vom Umgang mit Menschen ­stehen» erklärt Desmond, der in der Dessi Betroffene berät. Und wie ist diese Auffassung vom Umgang mit Menschen, die die Dessi vertritt? «Jeder soll ein Recht auf Bewegungsfreiheit ­haben» – davon sind in der autonomen Beratungsstelle alle überzeugt.

Asylaberkennung.

Das Fremdenrechtsgesetz hat also eine Novelle bekommen, die im November schon umgesetzt werden soll. Besonders viel Freude wird sich unter den «Fremden» eher nicht regen, sieht man sich das Gesetz genauer an. Eine der geplanten Neuerungen ist jene zur Asylaberkennung. Auf gut Nicht-Amtsdeutsch: Menschen, denen in Österreich Asyl gewährt wurde, können dieses auch wieder verlieren. Das war bisher schon möglich, wenn sich die Situation im Herkunftsland zum Positiven verändert hat oder der oder die Betroffene eine schwere Straftat, wie Mord oder Vergewaltigung, begangen hat. Ab November wird die Einleitung eines Aberkennungsverfahrens bereits möglich sein, wenn die Staatsanwaltschaft Anklage gegen einen Flüchtling einbringt oder eine Untersuchungshaft verhängt – ohne Verurteilung also. Und: Ohne österreichischen Pass landet man ohnehin teilweise schon wegen kleiner Delikte, etwa Ladendiebstahl, in U-Haft. Getreu dem Bonmot, dass der einzige niederschwellige Zugang hierzulande für Nicht-Österreicher_innen der zum Gefängnis ist.

Glaubt man der Statistik Austria, werden nach Anklageerhebung rund ein Viertel der Angeklagten freigesprochen. «Die Fremdenrechtsnovelle hebelt die Unschuldsvermutung komplett aus», sagt Rechtsberater Desmond. Dabei heißt es in der europäischen Menschenrechtskonvention: «Jedermann hat solange als unschuldig zu gelten, bis in einem allgemeinen gesetzlich bestimmten Verfahren rechtskräftig seine Schuld festgestellt wurde.»

«Freiwillige» Ausreise & Abschiebung.

Entscheiden Behörden negativ über den Antrag auf Asyl und muss die asylsuchende Person demzufolge ausreisen, gibt es in Zukunft eine Geldstrafe bis zu 15.000 Euro, wenn dem nicht Folge geleistet wird (bisher gab es keine Geldstrafe). Die Alternative: Ersatzhaft. Geflüchtete können aber auch zum Wohnort verpflichtet werden – in einer bestimmten Unterkunft irgendwo in Österreich. Werden Rückkehrberatungstermine nicht eingehalten, kann darüber hinaus sogar eine Gebietsbeschränkung für einen Bezirk ausgesprochen werden. Im Klartext: Bezirksarrest – man darf den Bezirk nicht verlassen. Rückkehrberatungstermine können immer wieder vorgeschrieben werden, denn manchmal dauert es eben, jemanden, der aus einem Land geflohen ist, von der «Freiwilligen Rückkehr» zu «überzeugen». Für Behördentermine und Arztbesuche wird die Gebietsbeschränkung zwar aufgehoben, ein Termin bei einer Rechtsberatung gilt allerdings nicht. «Den Behörden ermöglicht das einen erweiterten Freiheitsentzug, ohne dass ein Delikt vorliegt», kritisert Desmond.

Besonders kooperativ müssen Menschen sein, denen ihre zwangsweise Abschiebung bevorsteht. In der euphemistischen Diktion der Bundesregierung heißt das «Rückführung». Verabsäumen Flüchtlinge die dafür benötigten Papiere zu beschaffen, droht ihnen eine zeitlich unbeschränkte Beugehaft. Die ist dann wohl gleich eine Vorbereitung auf die drohende Schubhaft, deren erlaubte Dauer mit dem FrÄG von derzeit vier auf sechs, bei Versuchen, diese zu verhindern, gar auf 18 Monate erhöht worden ist.

Erweiterte Polizeibefugnisse.

Wo Migration und Asyl schon fast gewohnheitsmäßig als Sicherheitsthema verhandelt werden, da dürfen erweiterte Befugnisse der Polizei nicht fehlen: Dank dem FrÄG ist es der Exekutive bald erlaubt, Räumlichkeiten zu betreten, wenn sich darin mehr als drei «Fremde» befinden. Eine richterliche Genehmigung ist dafür nicht notwendig, der bloße Verdacht, dass sich dort Schlepper_innen oder Geschleppte befinden könnten, reicht. Damit wird der Alptraum einer jeden Asylrechtsberatung wahr, denn: «Allen Menschen steht eine rechtliche Beratung zu. Ein Beratungszimmer muss daher ein geschützter Raum bleiben.»

Asyl ist dazu da, Menschen Schutz zu bieten. Mit dem FrÄG allerdings wird das Fremdenrecht immer mehr zu einem Instrument der Kriminalisierung von Migrant_innen.