Geht’s mich was an?: Werte müssen diskutierbar bleibentun & lassen

Das neue Integrationsgesetz, das höchstwahrscheinlich mit 1. Oktober in Kraft tritt, schreibt sogenannten Drittstaatsangehörigen sogenannte Wertekurse vor. Die Werte kommen aus dem Innenministerium. Staatlich verordnete Werte?

Wem sie verpflichtend verordnet werden sollen, ist ja nun nicht zufällig. Zäh und schwer hält sich das koloniale Bild der rückständigen Anderen und das europäische Werte-Wir feiert vor dem Hintergrund dieses Bildes die eigene vermeintliche Überlegenheit und Fortschrittlichkeit. Ein Hort der Werte eben. Was aber ist der Fortschritt? Dass der Anteil der Frauen im österreichischen Parlament und in Leitungsfunktionen unsäglich niedrig ist? Dass Europas Grenzen hochmilitarisiert sind und dass die EU-Grenzregime für den Tod von Tausenden Menschen im Mittelmeer verantwortlich sind? Das Europa der Menschenrechte und der Geschlechtergerechtigkeit? Wie zynisch. Die Autor_innen und Konzeptor_innen der Wertekurse wissen scheinbar um die (Demokratie-)Defizite der Teilnehmer_innen genau Bescheid. Verallgemeinernde Unterstellungen. Werte, oder besser, Haltungen sind wichtig. Doch um welche Werte geht es? Die des Innenministeriums? Werte müssen verhandelbar bleiben. Doch hier wird ein anderer Weg eingeschlagen: Die Teilnehmer_innen der ­Kurse sollen denken, was erwünscht ist. Sie sollen diese Haltungen einüben mittels des Materials, das zur Verfügung gestellt wird. Kontroverse Positionen sollen nicht beachtet werden, was aber wichtig wäre. Die Teilnehmer_innen werden schlichtweg als nicht-wissend, über das falsche Wissen und die falschen Werte verfügend, permanent abwertend angesprochen. In dieser Konstruktion können sie scheinbar nicht für sich selbst sprechen, müssen umerzogen und belehrt werden. In diesem Bildungsverständnis wird außerdem ignoriert, dass Menschen aufgrund unterschiedlicher Erfahrungen, Geschichten, sozialer Hintergründe, Zugehörigkeiten, Standpunkte, unterschiedliches Wissen mit- und hervorbringen.

Das neue Integrationsgesetz wird wohl kommen. Wodurch aber ist das Vorschreiben von Werten legitimiert? Das Vorschreiben von Werten erscheint nur dann legitim, wenn die Vorstellung ist, dass Werte keiner Ausverhandlung bedürfen. Das aber ist zutiefst undemokratisch.


Daniela Rechling / LEFÖ – Beratung, Bildung und Begleitung für Migrantinnen