Ich bin ja vieles

Augustinerin Bärbel

Also, ich hab’ eine lange Geschichte. Das ist das Angenehme an einem langen Leben, dass immer was Neues kommt, neue Menschen und neue Projekte. Ich bin ja vieles, nicht nur Journalistin.

Foto: Mario Lang

Ich bin gelernte Maßschneiderin mit Gesellenprüfung. Anschließend habe ich lange in der Fabrik gearbeitet, und es war mir so fad, diese Stückzahl hinzulegen und zu schauen, dass man auf den Akkordlohn kommt. Deshalb habe ich eine zweite Ausbildung als Krankenschwester begonnen, weil das die einzige Möglichkeit war, für die man nichts zahlen musste. Meine Eltern konnten sich das nicht leisten mit vier Kindern und Proletarierhaushalt. Wie das früher üblich war, habe ich geheiratet und zwei Kinder bekommen. Ich wusste, diese Ehe ist so was von eng. Ich komme aus Westberlin, man hört’s wahrscheinlich noch – da hab’ ich in einer Neubausiedlung gewohnt, Gropiusstadt, rundherum halbfertige Häuser. Mein Mann ist in der Früh arbeiten gegangen, er war Mechaniker, ich war mit den zwei kleinen Kindern zu Hause. Das halte ich nicht mehr aus, ohne depressiv zu werden, dachte ich und bin einfach weg. Dann, und das ist mein dritter Beruf, war ich Kneipenwirtin, durch Zufall. Ein Bekannter hat gesagt: Da gibt es eine Kneipe und gleich dahinter eine Wohnung zu vermieten. Da hab’ ich gedacht: Super, da kann ich nachts arbeiten, und die Kinder sind in der Nähe. Kindergartenplätze hat’s keine gegeben.

Nach meiner Scheidung bin ich in die 68er-Bewegung reingeraten. Damals war in Berlin eine wilde Zeit, aber es hat mir gefallen. Irgendwann meinte ich, jetzt muss ich Ordnung in mein Leben bringen, und bin zur kommunistischen Partei Berlins, SEW, gegangen. Weil die waren so brav, ordentlich. Die fragten mich, ob ich einen Artikel über mein Krankenschwesternleben schreiben will. Von Schreiben hatte ich keine Ahnung, aber ich habe gesagt: Das mach’ ich. Und die haben das wirklich gedruckt. Das war für mich so eine Einstiegsdroge ins Schreiben.

Dann habe ich mich verliebt und bin nach Wien gegangen, das war 1973. Wien war eigentlich fad, aber sehr gemütlich. In Berlin war mein Leben chaotisch. Wien hatte eine überschaubare Größe, und alle waren so wahnsinnig freundlich. Ich bin erst später draufgekommen, diese Freundlichkeit ist manchmal ganz schön hinterfotzig. Mit meinem Mann Julius Mende (Künstler und Pädagoge, 1944–2007, Anm. Red.), meiner großen Liebe, bin ich 1984 zusammengekommen. Was mir sehr geholfen hat in Wien, war ein dichtes Kollektiv von Menschen, linke Leute, mit denen ich zu tun gehabt habe, und auch Frauen in der feministischen Bewegung. Jetzt bin ich unter anderem bei den 20000frauen aktiv und schreibe immer noch für verschiedene Medien wie die «Volksstimme», die «an.schläge» und meine Kolumne «Dannebergpredigt» im Augustin.

www.20000frauen.at

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