Ist Ferry schizophren?*tun & lassen

Wohnen ist Ware – Aspekte der Raiffeisendominanz (Teil 9)

«Absolute Marktorientierung» stellen die Raiffeisenmanager als Überschrift über ihr Immobilengeschäft. Gemeint sind hohe Gewinne aus dem Geschäft mit dem menschlichen Grundbedürfnis nach Wohnen. Die grundlegenden Bedingungen für den Wohnungsmarkt in Österreich werden im Parlament ausverhandelt und gestaltet dort sitzen bekanntlich auch der Raiffeisengruppe verbundene Mandatare, die allerdings so tun, als gelte auch für sie die Idee des «freien Mandats».Ein Beispiel zuerst die Theorie: Der Begriff «freies Mandat» bedeutet, dass ein Mandatar ausschließlich seinem Gewissen verpflichtet ist, also keine Aufträge von Wählern, Parteien oder Fraktionen auszuführen hat. Eine edle Sache. Allerdings gibt es Interessen. Die Praxis: Da sitzt beispielsweise im Nationalrat gemeinsam mit anderen der Abgeordnete Ferry Maier. Wenn seine Tätigkeitsliste und seine Funktionen außerhalb des Parlaments betrachtet werden, steigt die Bewunderung für ihn, denn mit dem Rattenschwanz an Funktionen ist es ein wahres Kunststück, einem «freien Mandat» gerecht zu werden: «Generalsekretär des Raiffeisenverbandes, Geschäftsführer der MEDICUR, Mitglied der Geschäftsführung der EPAMEDIA, Mitglied des Aufsichtsrates der Kurier AG, Bezirksparteiobmann ÖVP Floridsdorf, Landesparteiobmannstellvertreter ÖVP Wien» . Sein «freies Mandat» verwirklicht er im Plenum des Nationalrates und in folgenden Ausschüssen: Hauptausschuss, Budgetausschuss, Industrieausschuss, Wirtschaftsausschuss, Finanzausschuss. Also an allen Schlüsselpunkten im Parlament, wo es um die wirkliche Kohle geht. In all diesen Positionen der Gesetzgebungsmaschine stellt er die Interessen seines Hauptbrötchengebers Raiffeisen hintan und orientiert sich an seinem Gewissen so auch bei allen zu beschließenden Gesetzen, die die Immobilienbranche in Österreich betreffen.

Ein wesentliches Vehikel für Raiffeisen, um mit Immobilien Cash zu machen, ist die «Raiffeisen Immobilien Kapitalanlage Gesellschaft m. b. H.», eine hundertprozentige Tochter der «Raiffeisenkapitalanlage Gesellschaft m. b. H.» Bei der Firma dürfen nicht nur Multimillionäre in Fonds investieren, auch Mindestrentner können sich an der wunderbaren Geldvermehrung aus dem Titel Immobilien beteiligen. «Bereits mit kleinen Beträgen (ab 30 Euro monatlich) können Anlegerinnen und Anleger von den Vorteilen von Immobilieninvestments in den Wachstumszentren Europas profitieren. Das professionelle Management des Raiffeisen-Immobilienfonds übernimmt alle mit der Immobilie in Zusammenhang stehenden Agenden wie Fondsmanagement (Investmentstrategie und Auswahl der Märkte), Investment-Management (Kauf und Verkauf von Objekten) sowie Asset-Management (Vermietung, Mieterbetreuung, etc.).»

Nur mit Familienmitgliedern

Die Fondsfirma ist nicht die einzige Aktivität der Raiffeisengruppe im Sektor Immobilien. Da gibt es die «Raiffeisen evolution project development GmbH». Eine Firma, die aus einer Allianz «dreier Key Player der europäischen Immobilienwirtschaft» entstanden ist. Weiter heißt es auf der zitierten Website: «Entstanden aus den Projektentwicklern der Raiffeisen-Gruppe und dem Geschäftsbereich Projektentwicklung Österreich und Osteuropa der Strabag AG, strebt Raiffeisen evolution eine Führungsposition in Europa an.» Alles bleibt in der Familie: Die Raiffeisengruppe ist mit rund 50 Prozent an der Strabag AG beteiligt. Großes haben die Immobilienmanager der Giebelkreuzler vor: «Mittelpunkt der Aktivitäten von Raiffeisen evolution ist Zentral- und Osteuropa. Als einer der Marktführer in Österreich ist es erklärtes Ziel der Gruppe, diese Rolle in Zukunft in der gesamten Ausdehnung des Zielmarktes einzunehmen. Das Unternehmen ist heute neben dem Hauptsitz in Wien mit eigenen Niederlassungen in Ungarn, Polen, Tschechische Republik, Slowakei, Serbien, Rumänien, Bulgarien, Russland und in der Ukraine vertreten» (ebenfalls Website der Raiffeisen evolution). Schon bisher waren die Macher der «evolution» nicht faul: Seit Gründung der Gesellschaft im Jahr 2003 wurden 720.000 m² Nutzfläche errichtet. Weitere 950.000 m² sind in Bau oder in Entwicklung.

Jetzt müssen wir nochmals die Geschichte mit dem freien Mandat bemühen: Gesellschafter der Raiffeisen evolution sind zu 40 Prozent die RZB, zu je 20 Prozent die Uniqa Versicherungs AG, die STRABAG und die Raiffeisen-Holding (Wie die wiederum untereinander verwandt sind, lassen wir vorerst beiseite). Der evolution-Miteigentümer Raiffeisen-Holding ist wiederum 50 Prozent Gesellschafter der MEDICUR-Holding, in deren Geschäftsführung der erwähnte Ferry Maier sitzt. Der Abgeordnete Ferry Maier darf sich also vor jeder Abstimmung, beispielsweise eine Gesetzgebung den Immobilienbereich betreffend, überlegen, wie er sein freies Mandat ausübt. Berücksichtigt er die Interessen des Eigentümers (Raiffeisen-Holding) sowohl «seiner» Medicur als auch der Raiffeisen evolution, oder sagt er seinem Aufsichtsrat (Medicur): Sorry, heute muss ich gegen die Interessen des Unternehmens stimmen, weil freies Mandat und so? Sehr schwer hat es der Herr Maier.

Zeichenerklärung:

* lt. Duden Fremdwörterbuch: «in sich widersprüchlich, zwiespältig, absurd».