Provision im Plastiksackerltun & lassen

Ashwien Sankholkar: Was geschah wirklich bei der BUWOG-Privatisierung?

Das Biber nennt ihn den «Undercover-Babo». Er selbst bezeichnet sich als «Bobo, der immer den Augustin kauft». Alexander Behr (Interview) und Lisa Bolyos (Interview & Foto) haben den Aufdeckerjournalisten und Buchautor Ashwien Sankholkar zum Gespräch über Geldtransporte im Plastiksackerl, Einladungen zum Hahnenkammrennen und atemberaubende Zufälle im Fall BUWOG getroffen.Das Biber nennt dich «Undercover-Babo» – wie kommst du zu diesem Ehrentitel?

Für mich ist das eine Respektbekundung. «Babo» bedeutet so viel wie Oberboss. Und «undercover» bezieht sich wohl auf meine Arbeit als Investigativjournalist, bei der ich in ungeahnte Tiefen der österreichischen Wirtschaftskriminalität eintauche.

Was ist das kleine Einmaleins des investigativen Journalismus?

Gut beobachten, viel lesen und kreativ kombinieren. Du stellst eine Hypothese auf. Wenn man jahrelange Übung hat und in einem bestimmten Bereich spezialisiert ist, entdeckt man bei den Recherchen, wie es im Film Matrix so schön heißt, die «Anomalien der Matrix». Dann beginnt die journalistische Arbeit: sich Spezialwissen über ein Thema, eine Branche oder ein Feld aneignen, Fakten checken. Und das Wichtigste: mit vielen Leuten reden. Zum Schluss wird die Hypothese verifiziert oder falsifiziert: Entweder etwas ist tatsächlich ein Skandal oder es ist in Ordnung. Dritte Möglichkeit: Es ist zwar rechtlich alles okay, aber es liegt eine Ungerechtigkeit vor, ein Fehler im System. Außerdem wichtig – man darf selbst nicht korrumpierbar sein. Einladungen wie etwa zu Segeltörns mit den Bossen der Hypo Alpe Adria gehen gar nicht. Auch ein Gratis-Ticket fürs Hahnenkamm-Rennen inklusive Übernachtung sollte man überdenken.

An Daten zu kommen ist eine Sache, sie richtig zu interpretieren eine andere. Wie gehst du vor?

Ich habe Internationale Betriebswirtschaft studiert und mich auf Finanzwirtschaft spezialisiert, habe also gelernt, Bankbilanzen zu lesen. Mit Expertenwissen erkennt man Anomalien sehr schnell. Nehmen wir zum Beispiel die Kommunalkredit: Das war eine große, auf öffentliche Finanzierungen spezialisierte Bank, die jahrelang als biederer Gemeindefinanzierer aufgetreten ist und in der Finanzkrise 2008 notverstaatlicht werden musste. Ich habe diese und andere Skandalbanken in meinem Buch «Der geplünderte Staat und seine Profiteure» beschrieben. Um draufzukommen, was dort schiefgegangen ist, habe ich zuerst die Bilanzen gelesen und bin über den Vermerk «Eventualverbindlichkeiten» gestolpert. Tatsächlich habe ich dann eine auffällige Bilanzposition entdeckt, die auf Seite hundert-irgendwas versteckt war, sozusagen im Kleingedruckten. Damit gelang es mir nicht nur als Erstem, das gigantische Risiko der Kommunalkredit zu quantifizieren, sondern auch deren fragwürdige Geschäfte zu enthüllen: hochriskante Milliardenspekulationen mit Ramschpapieren – und das auch noch auf Zypern, einer Steueroase.

Dein größter Coup war die Aufdeckung des BUWOG-Skandals. Was ist da passiert?

Die Enthüllung im September 2009 führte zum größten Korruptionsprozess in der Geschichte der Zweiten Republik. Die Verdachtslage ist, dass ein Freundeskreis rund um den ehemaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser bei Privatisierungen der Republik Österreich – konkret beim Verkauf von 60.000 Bundeswohnungen – Millionenprovisionen kassiert hat. Das Geld wurde über Briefkastenfirmen in Zypern, Liechtenstein und Delaware geschleust und vor dem Finanzamt versteckt. Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass das Konto «40.0815» als eines von drei Konten, auf denen die BUWOG-Provisionen gelandet sind, Karl-Heinz Grasser gehört. Diesen schwerwiegenden Verdacht hat der Lobbyist Peter Hochegger mit seinem überraschenden Geständnis im BUWOG-Prozess nochmals untermauert.

Es sollen 9,61 Mio. Euro an «Provisionen» – oder nennen wir’s: Bestechungsgelder – geflossen sein. Waren diese Zahlungen rechtswidrig?

Eine komische Optik hat die Sache dadurch bekommen, dass die Gelder über Briefkastenfirmen geflossen sind und erst versteuert wurden, als journalistischen Recherchen die BUWOG-Provisionen ans Tageslicht brachten.

Wenn ein Finanzminister bei Staatsgeschäften mitschneidet, ist das legal?

Sicher nicht. Ich gehe noch einen Schritt weiter und meine, dass es auch nicht okay ist, wenn die besten Freunde des Finanzministers sich die Taschen vollstopfen. Besonders krass wird es, wenn die Provisionäre nicht mehr wissen, wofür sie die Provisionen kassiert haben. Man kann es drehen und wenden, wie man will, der üble

Beigeschmack bleibt.


Karl-Heinz Grassers Anwälte sprechen von Vorverurteilung.

Da reden die richtigen. Das sind dieselben Anwälte, die Laienrichter ausspionieren, Berufsrichter provozieren und Zeugen öffentlich diskreditieren. Hochegger, der Grasser mit seinem Geständnis schwer belastet, nennen sie unglaubwürdig. Gleichzeitig ventilieren sie im Gerichtssaal krude Theorien, wonach hinter allem eine große Freimaurer-Verschwörung steckt. Die Grasser-Anwälte polemisieren gegen eine befangene Justiz und verschweigen dabei, dass die Justiz durchaus schon Verfahren gegen Grasser eingestellt hat: im Fall der Dorotheum-Privatisierung, der Nordbahnstraße oder der Brehmstraße, die uns den berühmten Sager von Meischberger an Plech eingebracht hat: «Wo woa mei Leistung?». Beim BUWOG-Verkauf riecht es hingegen gewaltig nach Korruption. Über die strafrechtliche Relevanz entscheidet letztlich das Schöffengericht. Die Anwälte mögen es nicht, dass Journalisten über die vielen Zufälle in der BUWOG-Affäre rund um Karl-Heinz Grasser berichten. Die sind nämlich atemberaubend.

Erzähle uns von so einem Zufall.

Nehmen wir das «Mandarin-Konto», wo auch das berühmte Schwiegermutter-Geld gelandet ist. Wie wahrscheinlich ist es, dass Trauzeuge, Ehefrau und Schwiegermutter ein und dieselben Bankkonten nutzen? Man muss kein Statistikprofessor sein, um das zu beantworten: eher null. Doch genau das ist passiert. Herr Meischberger hat einen Teil des Geldes vom berühmten Konto «40.0815» für Geschäfte mit Meinl-Aktien auf ein Konto bei der Raiffeisenbank Liechtenstein überwiesen. Das darf er natürlich – aber von den hunderttausenden Briefkastenfirmen, die es im Investment-Universum gibt, sucht sich der Herr Meischberger ausgerechnet die Mandarin Group Ltd aus. Wie seltsam ist das? Parallel dazu wählt die Schwiegermutter von Herrn Grasser von den hunderttausenden Briefkastenfirmen dieser Welt ebenfalls die Mandarin, um ihr geheimes Investment in die Hypo Alpe Adria abzuwickeln. Und von den hunderttausenden Briefkastenfirmen auf der Welt wird von eben dieser Mandarin ein anderes Konto gespeist, um Ohrringe für Fiona Grasser zu kaufen. Das sind drei unglaubliche Zufälle. Man muss kein Mathematik-Genie sein, um Mister X zu finden, der die Gleichung löst. X ist …

… Karl-Heinz Grasser?

Es gibt keinen eindeutigen Beweis, weder dafür noch dagegen. Grassers Schwiegermutter und seine Ehefrau, die zur Aufklärung beitragen könnten, berufen sich auf ihr Recht, sich der Aussage zu entschlagen. Doch die obengenannten «Zufälle» lassen einen Wirtschaftsjournalisten nur den Kopf schütteln. Ich bemühe mich in meiner Arbeit, dubiose Umstände öffentlich zu machen. Ich würde sagen, das Schaffen von Öffentlichkeit durch kritische Berichterstattung deckt 80 Prozent der Arbeit zur Aufklärung von Wirtschaftsverbrechen ab, 20 Prozent machen dann Staatsanwälte und Richter.

Der BUWOG-Prozess hat begonnen, die 60.000 Wohnungen sind mit großem Gewinn weiterverkauft worden – ein Zufall?

Investoren machen ihre Kauf- und Verkaufsentscheidungen in der Regel nicht von Gerichtsprozessen abhängig. Es ist sicher bemerkenswert, dass dieses Wohnungspaket um rund 5,2 Milliarden Euro, also zum mehr als den fünffachen Preis weiterverkauft wird. Natürlich wurde von der Immofinanz über die Jahre sehr viel in den Umbau investiert – dennoch liegt es nahe, dass die Republik beim Verkauf 2004 besser hätte aussteigen können.

Die Privatisierung selbst gilt nicht als Skandal, obwohl hier Eigentum der Allgemeinheit einfach verkauft wurde.

Ob Privatisierungen notwendig sind, ist eine ideologische Frage. Wenn das Verfügbarmachen von leistbarem Wohnraum ein politisches Ziel ist, dann hat die damalige Regierung wohl einen schweren Fehler gemacht.

Im Fall BUWOG hat deine Berichterstattung dazu geführt, dass das Gerichtsverfahren eröffnet wurde. Was erwartest du dir nun vom Prozess?

Ich erwarte mir eine korrekte Richterin, die das Verfahren trotz der vielen Untergriffe von Seiten der Anwälte sachlich führt und keine Fragen offen lässt.

Herr Meischberger, Herr Grasser und 13 weitere Angeklagte müssen sich in einer öffentlichen Verhandlung verantworten: Grasser muss etwa erklären, dass die Schwiegermutter ihm das Geld in einem Plastiksackerl übergeben hat und er als Finanzminister der Republik tatsächlich keine Bedenken hatte, das Geld von Zürich nach Wien zu bringen. Wieso riskierte er, auf der Autobahnraststätte bestohlen oder an der Grenze gestoppt zu werden, wenn eine Überweisung möglich gewesen wäre? So verhält sich doch kein Finanzminister am Karrierehöhepunkt. Und Grasser muss auch erklären, wie es dazu kam, dass seine Damals-noch-nicht-Schwiegermutter dem Geliebten ihrer Tochter einfach so eine halbe Million Euro zusteckt. Selbst in der Glitzerwelt der Superreichen wirkt diese Geschichte unglaubwürdig und lebensfremd.


Gegen die Schadenssumme der Skandale in deinem Buch wirken Einsparungen im Sozialbereich wie eine Farce.

In einem Kapitel über die Staatsbanken beschreibe ich die Oesterreichische Kontrollbank und deren Milliardenverluste aus Schweizer-Franken-Kreditgeschäften. Am Ende wird dem Steuerzahler die Rechnung dafür präsentiert: Als ich mein Buch geschrieben habe, betrugen die Buchverluste 5,9 Milliarden Euro. Legt man das auf die Kosten der Mindestsicherung um, könnte man nur mit dem Betrag des Buchverlusts 70.000 Menschen über einen Zeitraum von zehn Jahren die Mindestsicherung bezahlen.

Wo siehst du aktuell das größte Korruptionspotenzial?

Ein Beispiel ist der Wohnungsmarkt. Wenn eine Aufweichung des Mietrechts erfolgt, wäre das ein riesiges Geschenk an die Immobilien-Lobby. Und ich halte die dritte Piste am Flughafen Wien-Schwechat für ein Großprojekt, das sehr anfällig für Korruption ist. Es handelt sich um ein riesiges Infrastrukturprojekt mit einem Finanzrahmen von zwei bis drei Mrd. Euro. Diese Summe wird sicher überschritten werden und hohe Nebenkosten verursachen. An der dritten Piste können sich – so wie beim Skylink – viele Personen eine goldene Nase verdienen. Es ist wichtig, ein Auge drauf zu haben.

Ashwien Sankholkar:

Der geplünderte Staat und

seine Profiteure

Residenz 2017

240 Seiten, 22 Euro

Das BUWOG-Verfahren ist öffentlich – eine Anmeldung für einen der 40 Plätze ist unter besucher.buwog@justiz.gv.at bis 12 Uhr des Vortags erforderlich.

Termine: 13.–15., 21., 22., 27., 28. Februar, 1. März, 9.30 Uhr, Großer Schwurgerichtssaal des Landesgerichts für Strafsachen Wien, 8., Landesgerichtsstraße 11