Abseits der Straßevorstadt

Wiens Fußballplätze (18): Der NAC-Platz

Was wären die Fußballvereine ohne ihre ehrenamtlichen Mitarbeiter_innen! Bei den Nussdorfer Athletikern ist Franz Wurzer so einer, seit zwölf Jahren sitzt er bei Heimspielen an der Kasse.

Grinzinger Straße 111: Die Adresse des Nussdorfer Athletik Clubs (NAC) lässt an Weinseligkeit und Heurigenlieder denken. Doch auch auf diesem Fußballplatz geht es im Grund nur um eines: den Sieg.

Zuletzt fuhren die Nussdorfer Kicker ganz gut damit, erst klappte der Aufstieg von der Oberliga in die Wiener Liga, zwei Jahre ist das her. Und auch jetzt, in der nächsthöheren Spielklasse, behaupten sie einen Platz im oberen Tabellendrittel.

Ein Aufsteiger tut sich im neuen Umfeld anfangs gewöhnlich leicht, denn er profitiert davon, dass ihn die etablierten Vereine gemeinhin unterschätzen. Dieser Bonus ist aber normalerweise schon in der folgenden Saison dahin, und dann müssen die Fußballer zeigen, was wirklich in ihnen steckt. Und das scheint bei den NAC-Spielern nicht gerade wenig zu sein.

Spieler kommen und gehen, Trainer, das ist typisch im Fußball, eine der wenigen identitätsstiftenden Konstanten in diesem potenziell unberechenbaren Kontinuum ist der Mann an der Kasse, und das ist bei den Nussdorfern Franz Wurzer. Seit zwölf Jahren macht er diese Arbeit, bei jedem Heimspiel ist er zur Stelle, er steht für Kontinuität, Beständigkeit, Loyalität.

Früher hatte der heute 59-Jährige selbst beim NAC gespielt, als Tormann, zwischen seinem 10. und 20. Lebensjahr. Danach waren seine Knie so kaputt, dass er auf Anraten des Arztes den Posten zwischen den Pfosten aufgab.

Unter den heutigen Bedingungen hätte sich Wurzer diese Verletzung wohl nicht zugezogen. Denn seit sechs Jahren wird auf modernem, weichem Kunstrasen gespielt, dies ein Geschenk der Stadt anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums des Klubs. Zu Wurzers Zeiten war der Boden noch hart, verhängnisvoll hart, zudem wies er zur einen Seite hin ein deutliches Gefälle auf.

Der NAC-Platz ist eine traditionsreiche Institution, allerdings eine, die sich eher im Hintergrund hält. Von der Straße ist der Platz nicht einzusehen, man muss erst ein Stück Weges nach hinten gehen. Und hier, mitten auf dem Weg, trifft der Besucher auf Herrn Wurzer. Der sitzt hinter einem Tisch, den er sich selbst aufgestellt hat. Früher saß Wurzer im Kassa-Häuschen, doch seit von dort der Blick aufs Spielfeld durch ein Werbeplakat des neuen Sponsors «The Power Company» verstellt ist, hat er sich dieses Provisorium geschaffen.

Der Eintritt beträgt sieben Euro, Schüler und Pensionisten zahlen vier Euro – die Preise sind vom Fußballverband vorgegeben. Dazu kommt die vereinsinterne Regelung, dass pro NAC-Spieler eines seiner Familienmitglieder freien Eintritt hat.

An diesem Samstagnachmittag scheint die Sonne. Wunderbar. Doch das Wetter, das kann sich Wurzer nicht aussuchen. Die Arbeit gehört genauso erledigt, wenn es regnet oder stürmt (oder beides). Was wären die Vereine ohne ihre ehrenamtlichen Mitarbeiter_innen, ihre treuen Seelen!

Wurzer sitzt nicht nur an der Kasse. Auch die Woche über ist er regelmäßig auf dem Platz, immer nach Arbeitsschluss, um der Kampfmannschaft beim Training zuzuschauen. Er kennt jeden Spieler, und jeder Spieler kennt ihn. Und was macht er in der spielfreien Zeit? Da macht er, sagt Wurzer, oft selbst Urlaub.

Es gibt Ordner am Eingang, die jeden Ausweis genau prüfen. Sie genießen es, Autorität spielen zu können. Das genaue Gegenteil ist Wurzer: Er glaubt den Besucher_innen, wenn sie sagen, sie seien Pensionist_innen, und verlangt kein amtliches Dokument. Jeden zweiten Besucher begrüßt er ohnehin mit Handschlag. Ein Fußballverein ist auch so etwas wie eine große Familie.

Gleich beginnt das Spiel. Gleich wird es spannend. Wurzer genießt dieses prickelnde Gefühl. Doch er kann es auch anders haben. Wenn er seinen Blick etwas hebt, über das Spielfeld hinaus, fällt er auf eine malerische Gartenanlage. Es ist auch ein ruhiger, fast idyllischer Ort, an dem Wurzer seine Arbeit erledigt.

 

Nussdorfer AC 1907 im Netz: www.nac1907.at