Ein feministischer Quader im Bregenzerwaldvorstadt

Eine kleine Augustin-Museologie: Folge 2 – Das Frauenmuseum Hittisau

Eine Gemeinde im Bregenzerwald wünscht sich für ihr neues Feuerwehr- und Kulturhaus ein Museum. Eine lokale Kuratorin hat eine gute Idee. Lisa Bolyos hat sich in den Westen aufgemacht, um zu erfahren, wie Hittisau zu seinem Frauenmuseum kam, was schwedische Söldner und Vorarlberger Pendler dazu beigetragen haben und wie Bäuerinnen und Studentinnen Kulturvermittlung machen.

Foto: Lisa Bolyos

Richtung Vorarlberg geht es steil bergauf. Nicht nur was das ostalpine, sondern vor allem, was das monetäre Gefälle betrifft. Zwar belegt die Statistik Austria keine erwähnenswerten Unterschiede im durchschnittlichen Nettoeinkommen zwischen Burgenland und Vorarlberg (was daran liegen mag, dass es im Osten nebst einer Menge «working poor» auch noch eine beträchtliche Anzahl an «owning rich» gibt, ihres Zeichens Adelssprosse). Aber das Erscheinungsbild lässt keine Zweifel zu: Wir fahren westwärts. Die Viehweiden erinnern an Golfplätze, unser hinkendes Familycar macht sich am Bodensee-Parkplatz aus wie ein Trabi in Döbling, und architektonisch bewahrheitet sich, was ein guter Freund, eingeborener Bregenzerwäldler, gerne spöttelt, wenn er uns sommers auf der burgenländischen Baustelle hilft: «Dafür, wie im Burgenland gebaut wird, würde man in Vorarlberg ins Gefängnis kommen», und wir ergänzen, staunend durch die schweizerisch anmutenden Dörfer fahrend: Man wäre wohl ein Glückspilz, denn noch das Vorarlberger Gefängnis scheint besser ausgestattet zu sein als das burgenländische Wohnhaus.

Von der Roten Egg ins feministische Museum

Das Frauenmuseum Hittisau ist eben so ein architektonisches Kunstwerk. Aus Beton, Glas und natürlich viel Weißtanne gebaut, ausgezeichnet mit einer Reihe von Preisen, steht es quaderförmig auf halbem Weg zwischen Hauptstraße und Hang da wie ein Holzbaustein aus einem pädagogisch wertvollen Kinderbaukasten. Das Haus beherbergt neben dem Museum auch Feuerwehr und Musikverein, was die Direktorin mit einem Grinsen als «ziemlich einzigartig» bezeichnet, und was räumlich durchaus einschränkend sein mag, aber zumindest von außen wie eine vorbildliche Einbettung in das Gemeinwesen wirkt.

Stefania Pitscheider Soraperra hat die Museumsleitung im Jahr 2009 übernommen, da war das Museum schon neun Jahre alt. Wie der Bregenzerwald zu einem feministischen Dorfmuseum kommt, will ich wissen, und die Geschichte beginnt mit Elisabeth Stöckler, einer Hittisauerin, und mit einer Gemeinde, die ein Museum haben will, aber nicht so recht weiß, welches. Oder beginnt die Geschichte mit dem Dreißigjährigen Krieg und den mythologisch in Engel umgeformten Frauen, die an der Roten Egg die schwedischen Söldner zurückdrängten? Oder mit jenen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, in denen die Talschaft gar nicht reich, sondern Pendlergebiet war, die Männer hinauszogen, am Bau zu arbeiten, und die Frauen die lokale Ökonomie bestimmten? All das fasst Pitscheider Soraperra als «den regionalen Mythos starker Frauen» zusammen, der «mit dem reellen Frauenbild, das hier in der Region herrscht, allerdings gar nichts zu tun» habe, es gebe hier genügend Frauen, die weit unter ihrem Ausbildungsgrad beschäftigt seien. Und befragen wir noch einmal die Statistik Austria, so ist auch die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen in Vorarlberg exorbitant. Aber die Erzählung der starken Bregenzerwäldlerinnen habe es «überhaupt möglich gemacht, so etwas wie ein Frauenmuseum zu denken». Und es einstimmig im Gemeinderat beschließen zu lassen. Wobei, so Pitscheider Soraperra, das Museum so, wie es jetzt ist, «auch ein bisschen passiert ist», und die unbequemen Themen (zum Beispiel Gewalt an Frauen), denen es sich zwischen den zugänglicheren (zum Beispiel Trachten) widmet, in der Gründungsphase nicht lauthals herausposaunt wurden, sprich: Das Frauenmuseum wurde bewilligt, und den Feminismus gab es frei Haus dazu.

Die Gründungsdirektorin Elisabeth Stöckler hatte Pitscheider Soraperra schon vor Jahren in einem gemeinsamen Kuratorinnen-Lehrgang kennengelernt, und sie habe gestaunt, als Stöckler als Abschlussarbeit ein Frauenmuseum im Bregenzerwald konzipierte: «Ich habe mir gedacht, entweder ist diese Frau besonders mutig oder sie weiß nicht, worauf sie sich einlässt.» Elisabeth Stöckler war laut Pitscheider Soraperra viele Jahre lang «die eigentliche Sponsorin von diesem Haus, weil sie zu 50 Prozent angestellt war und 150 Prozent gearbeitet hat». Heute ist die Personalsituation besser, wenn auch ausbaufähig. Neben zwei Angestellten arbeiten rund zwanzig lokal ansässige Frauen mit geringfügiger Beschäftigung im Museum: in der Recherche, der Aufsicht und der Vermittlung. Frauen zwischen 17 und 86 Jahren, die einen studieren Gender Studies, die anderen leiten einen Hof, die einen sind Lehrerinnen, die anderen Wanderführerinnen, wieder andere pensioniert. Manche sind seit fünfzehn Jahren im Museum, andere übernehmen von ihren Großmüttern und Tanten. «Nur über diese Frauen ist es möglich, hier nicht ein totaler Fremdkörper zu sein.»

Rassenhass, Loden und andre Jodelmoden

Ein lokaler Ankerpunkt sind auch die Leihgeberinnen. Für die Ausstellung «Die gestickte Moral» zum Beispiel hat das Museum aufgerufen, Wandtücher mit Stick-Sprüchen einzusenden, «und wir haben nach nicht einmal einem Monat schon fünfhundert Einsendungen gehabt». Die Frauen, aus deren Küchen und anderen Arbeitszimmern die Wandtücher mit Sprüchen wie «Die Ehe ist ein Übel / Ein bitter, süsses Joch / Sie gleicht fürwahr der Zwiebel / Man weint und isst sie doch» kamen, bleiben dem Museum verbunden: «Sie kommen dann auch zu solchen Projekten, die sie vielleicht als ein bisschen spröder empfinden.»

Zurzeit geht es im Frauenmuseum unter dem Titel «Ich, am Gipfel» um Alpinismus. Sennerinnen, Schmugglerinnen, Klettersportlerinnen und, ganz aktuell, Fluchthelferinnen sind Subjekte dieser Kulturgeschichte. Jeanne Immink zum Beispiel, eine Alpinistin der vorletzten Jahrhundertwende, die ihre Ersbesteigungen mit Schaumwein feierte und «die Herren Alpinisten» aufforderte, «meinen Schritten zu folgen». Mascha Kaléko ist als Dichterin vertreten, die das Edelweiß als beliebtes Alpenbümlein ehrt, «nebst Rassenhaß und Loden / und andern Jodelmoden». Oder natürlich Lisa Fittko, eine der berühmtesten Fluchthelferinnen der 1930er- und 40er-Jahre, nach der übrigens die «Goldene Lisa» benannt ist, die Mitte Oktober bei der Münchner «Internationalen Schlepper- und Schleusertagung» für besondere Leistungen im Feld verliehen wird.

Was so ein Frauenmuseum alles macht? «Frauengeschichte aufarbeiten, Geschichte reinterpretieren, den Teil der Geschichte erzählen, der nicht erzählt wird», sagt Pitscheider Soraperra, und, dass sie sich wünscht «dass es keine Frauenmuseen bräuchte. Aber es braucht sie», nicht zuletzt, sagt sie, «weil die meisten Museen Männermuseen sind.» Als Besucherin wünscht man sich nicht, dass es das Frauenmuseum in einer utopischen Version der Zukunft nicht mehr gibt. Es füllt nicht nur Lücken in der Geschichtsschreibung, sondern erzählt auch davon, wieso Geschichte überhaupt so lückenhaft geschrieben wurde. Es entwirft eine Gesellschaft, die anders funktioniert. Es archiviert und vermittelt feministische Kämpfe und Errungenschaften. Und von denen soll schließlich auch noch gesprochen werden, wenn sie sich eines Tages durchgesetzt haben und damit dann wirklich Geschichte geworden sind.

Ich, am Gipfel. Eine Frauenalpingeschichte.

Bis 26. Oktober

Frauenmuseum Hittisau, Platz 501, 6952 Hittisau

www.frauenmuseum.at