Ich bin keine Puppevorstadt

Neuer Verein mit weiblichen Führungskräften

Der FC Calaromania Wien hat bereits eine Saison gemeistert und geht mit Zuversicht in die nächste. Hannes Gaisberger (Text) und Mehmet Emir (Fotos) trafen die umtriebigen Macher_innen des Projekts, die den Ball vorerst flach halten.

Bildtext: Von der Leichtathletik zum Fußball: Clara Popescu ist Obfrau beim FC Calaromania Wien. Ihr Ehemann Sorin ist offiziell zwar Vize-Obmann, sieht sich aber nur als «Helfer»

«Aber wieso sind Sie auf uns gekommen?» Sorin Popescu ist zunächst etwas skeptisch. Ein Artikel über den Verein? Nicht nur über die schillernde Tatsache, dass bei Calaromania Frauen die neuralgischen Positionen Obmann und Trainer besetzen? Doch es gab im Wiener Fußball schon Frauen wie Ulrike Kreuzthaler, die dem SV Aspern vorstand. Ein Fußballverein mit rumänischem Background ist doch auch ein paar Zeilen wert. Herr Popescu nimmt es zur Kenntnis und hält sich fürderhin zurück. Schließlich ist er der Vize-Obmann. Seine Gattin Clara Popescu ist die Obfrau des Vereins.

Die studierte Wirtschaftsingenieurin steht Calaromania Wien seit der Gründung im Mai 2015 vor. Es gab keinen Vorlauf in Hobbyligen. «Wir hab von Null angefangen. Doch wir hatten Kontakte zum österreichischen Leichtathletikverband, das war für uns ein Vorteil. Daher wussten wir ein bisschen, wie der Sport in Wien organisiert ist.» Die Idee zu einem Verein stand schon länger im Raum, doch hatte sie anfangs nicht die Schneid dazu. «Ich hatte eine Firma in Österreich und weiß, wie es in der Wirtschaft momentan aussieht. Aber dann war ich einmal mutig.» Frau Popescu kommt aus dem Leichtathletikbereich, war früher auf den kürzeren Laufdistanzen unterwegs und hat rumänische Meistertitel errungen. Später hat sie Andreea Dragan trainiert, die ihrerseits im Gehen mehrere Titel eingeheimst hat. Frau Dragan wiederum coacht nun den FC Calaromania Wien.

Der Name Calaromania sei eine bloße Lautmalerei, habe auch auf Rumänisch keine Bedeutung. Man betreibe auch einen gleichnamigen Kulturverein, die Aktivitäten seien jedoch getrennt. Hier der Fußball, dort Dichterlesungen, Modeschauen und dergleichen. Die Popescus sind überaus aktiv in der rumänischen Community. So traten sie zuletzt bei der Wienwahl 2015 mit der Rumän_innen-Partei an, die mit Forderungen wie einer 27,5-Stunden-Woche und einem Grundgehalt inkl. Versicherung für Hausfrauen für Aufsehen sorgte. «Wir wollten eine Vertretung auf administrativer Ebene für unsere Community. Für uns war es eine Erfahrung. Ich bin zufrieden, denn ich habe etwas gelernt», zieht Clara Popescu Bilanz.

Zu gut integriert

Ähnlich fällt auch das Resümee über die vergangene, erste Saison des FC Calaromania aus. «Die Jungs haben sich bemüht», schaltet sich Vize-Obmann Sorin Popescu ein. Auch Frau Popescu ist grundsätzlich zufrieden, aber im Herbst haben die Kicker «gespielt wie Mädchen – nicht eine gelbe Karte». Die routinierten Teams haben den Neulingen die Schneid abgekauft. Nach etlichen Aussprachen habe sich das verbessert. Während man in der Fair-Play-Wertung nach unten rutschte, stieg man in der Tabelle nach einem starken Frühjahr bis auf den sicheren 9. Platz. Gelbe Karten gibt es nun genug, auch manche Rote bleibt nicht aus. «Wir haben einen Spieler, der sehr viel spricht. Er kann leider sehr gut Deutsch …» zeigt Herr Popescu die Schattenseiten guter Sprachkenntnisse auf.

Die Mehrheit des Kaders stammt aus Rumänien, wobei viele schon seit langer Zeit in Wien beheimatet sind. Es gibt jedoch auch einen Kicker aus dem Irak und zuletzt habe man drei Flüchtlinge in den Kader aufgenommen. Für einen Spieler aus dem aktuellen Kader gibt es eine Anfrage aus Rumänien, womit die Popescus ihre Arbeit honoriert sehen. Wenn der Verein dann auch noch eine angemessene Ablösesumme erhält, sei das eine gute Sache. «Damit können wieder andere Fußballer finanziert werden.»

Die nächsten Entwicklungsschritte sind jedenfalls schon geplant. In dieser Saison wird man auch eine Reserve anmelden, nächste Saison soll eine Frauenmannschaft folgen. «Wir haben momentan erst acht Spielerinnen, aber wir werden das schaffen», ist Frau Popescu überzeugt. Sie tut, was in ihrer Kraft liegt. «Das Organisatorische ist zu schaffen. Aber das Budget …» Das bräuchte man auch für Nachwuchsmannschaften. Momentan beteiligt sich Calaromania an dem Projekt «Bewegt im Park». «Da kommen viele Kinder, die sind so begeistert. Sie fragen mich, wann sie anfangen können.» Doch dafür benötigt man wieder mehr Organisation, Zeit, Geld und nicht zuletzt Trainingsplätze.

Pendler zwischen Mauer und Gruabn

Durch die Knappheit der verfügbaren Plätze spielt und trainiert man nun an verschiedenen Orten. «Wir sind überall. Wir trainieren in Mauer und spielen beim WAF. Peter (Schrimpl, Anm.) vom WAF hat mir geholfen, mich mit gutem Rat unterstützt und mir Mut gemacht.» Für gewöhnlich braucht Frau Popescu aber keine Hilfe. «Ich bin keine Puppe. Ich wasche die Leiberl, ich leite das Training, wenn Frau Dragan auf Urlaub ist.» So unterschiedlich findet sie die Anforderungen im Vergleich zu ihrer Tätigkeit als Leichtathletiktrainerin nicht, da der heutige Fußball ohnehin sehr athletisch sei. «Wenn jemand ein guter Läufer ist, kann er auch ein guter Fußballer sein. Er benötigt Ausdauer, Geschwindigkeit und er kann ein bisschen Technik lernen.» Daran habe es auch der rumänischen Nationalmannschaft bei der EURO gefehlt, sie fand ihr Spiel körperlos und zu technisch. In dieser Hinsicht sei Österreich schon weiter, moderner, findet Frau Popescu.

Apropos modern: Eine Frau als Trainerin ist natürlich schon eine ausgesprochene Rarität. Man habe allen Spielern von Anfang an gesagt, dass sie den Anweisungen der Trainerin zu folgen haben. «Wer damit ein Problem hat, hat bei uns nichts verloren.» Herr Popescu gibt den zwei Frauen im Führungstrio Rückendeckung. Er strahlt Ruhe aus, Ruhe, die ihm auch selbst guttut. Die Popescus sind nämlich auch Veranstalter von Misswahlen, und ein jahrelanger Rechtsstreit mit den Machern von Miss Austria habe ihren Mann so aufgeregt, dass er einen Schlaganfall erlitt, so Clara Popescu. «Wir hatten ein langes, laaanges Verfahren mit diesen Leuten, vier Jahre hat das gedauert. Zuletzt sind wir bis vor den Obersten Gerichtshof gezogen und haben schließlich gewonnen. Aber was haben wir gewonnen? Wir haben Zeit verloren, mit Drohungen gelebt, mein Mann ist krank geworden.» Seit der Streit um die Namensrechte geklärt ist, dürfen sie offiziell den Wettbewerb zur Miss Österreich austragen, dazu machen sie auch Veranstaltungen auf Bezirksebene.

Zurück zum Fußball: Zu ihren weitreichenden Aufgaben als Obfrau zählt die quirlige Akademikerin auch das Steuern und Betreuen von überschießenden Emotionen. «Ich muss für das Gleichgewicht sorgen. Leidenschaft ist gut, doch die muss auf dem Feld bleiben. Dann sage ich zu unseren Spielern: Schaut, die haben schon vergessen, was sie gesagt haben. Ich muss das in einen Rahmen bringen.» Herr Popescu kann sich in diesen Momenten nicht immer zurückhalten, und wird dann in der Kabine laut. Obwohl ihm das nicht guttue, wie Frau Popescu findet. Ihr Mann Sorin wiegelt einmal mehr ab: «Ich bin nur der Helfer.»