Im Käfigvorstadt

Stadtteilarbeit mit Fußballtrainern

Die Menschen kommen nicht zum Fußball, sondern der Fußball kommt zu den Menschen: Auf diesem Prinzip beruht die Käfig League, ein seit 2010 bestehendes Sozialprojekt der youngCaritas für Kinder und Jugendliche in den Wiener Bezirken.Warum schon wieder Training? Lange Gesichter bei den Jugendlichen. Sie wollen nicht trainieren, sie wollen ein Match spielen! Das bringen sie ebenso laut wie unmissverständlich zum Ausdruck. Doch schon wenige Sekunden später sind sie wieder ganz friedlich. Denn die nächste Trainingseinheit sieht ein 1-gegen-1-Duell vor. Der Trainer wirft den Ball über den Kopf nach hinten, worauf jeweils zwei Spieler von der Grundlinie aus starten. Sie versuchen, das Leder zu erobern und im Tor auf der gegenüberliegenden Seite zu versenken. Es ist keinesfalls leiser geworden, doch der Grund dafür nicht länger Unmut, sondern Freude, Eifer, Kampf.

Der Yppenplatz in Wien-Ottakring: Wohin der aufgeschlossene Mensch gerne am Wochenende kommt, um über den Bauernmarkt zu flanieren und multikulturelles Flair zu genießen, findet jeden Dienstagabend ein Käfig-League-Training statt. Die Menschen kommen nicht zum Fußball, sondern der Fußball kommt zu den Menschen, in diesem Fall zu Kindern und Jugendlichen zwischen sechs und 14 Jahren: Dies ist der Grundgedanke der Käfig League, eines Sozialprojekts, das die youngCaritas seit 2010 betreibt.

Es gehe nicht darum, erklärt Alice Uhl, Leiterin von youngCaritas, die Fußballstars von morgen zu entdecken, vielmehr sollen Jugendliche aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen zusammenkommen. Damit sie im wahrsten Sinne auf spielerische Weise erfahren, spätestens beim gemeinsamen Torjubel, dass sie etliche Gemeinsamkeiten haben.

Alexander Schneider spricht von «offenem Setting» und davon, dass das Ziel sei, «soziale Kompetenz» auszubilden. Er hat Psychologie studiert und leitet dieses Fußballprojekt.

Alle Menschen werden Brüder. Das ist ein schönes Ziel. Im Fußballkäfig auf dem Yppenplatz ist das allerdings noch nicht erreicht. Deutlich ist eine Hierarchie unter den Kickern zu erkennen. Wer am lautesten ist, der hat das Sagen. Immer sind es dieselben Spieler, die bei einer neuen Trainingseinheit als Erste beginnen.

Im Rahmen der Käfig League trainieren mittlerweile rund 500 Kinder und Jugendliche in 25 Wiener Käfigen, über die ganze Stadt verteilt. Jetzt wird noch draußen trainiert, ab nächstem Monat in einer Turnhalle (bis März). Die Arbeit machen jeweils zwei Trainer.

Das Training auf dem Yppenplatz ist vorbei, jetzt ein Match. Zwei Mannschaften werden gebildet. «Dürfen wir mitspielen?», fragen ein paar Kinder, die erst jetzt dazu stoßen. «Nein, ihr wart nicht beim Training!», kommt es streng zurück, nicht von den Trainern, sondern von den anderen Kickern. Auch ein Mädchen möchte mitspielen, ein einziges, da regt sich überraschenderweise kein Widerspruch.

Ein Fels inmitten des quirlenden Durcheinanders, die personifizierte Ruhe: Juan Alberto Marouz Motilla, einer der Trainer. Schwierigkeiten? Überhaupt nicht, sagt er, die Kinder seien doch alle wunderbar, alle sehr friedlich. Vielleicht sieht er die Sache so entspannt, weil er sehr viel wildere Kinder aus seiner Heimat her gewohnt ist. Vor zweieinhalb Jahren kam er aus Sevilla nach Wien, mit seiner Freundin, einer Französin. In Spanien gibt es keine Arbeit. Hier wollen sie sich ein neues Leben aufbauen, sie studiert Sprachen, er verkauft Geldbeutel, die er selbst herstellt. Einmal in der Woche trainiert er die jungen Kicker. «Und von den Kindern lerne ich Deutsch.» Wenn das nicht nett ist: Aus der Türkei und Afghanistan stammende Kinder betätigen sich als Sprachlehrer …

Plötzlich wird es ungemütlich im Käfig. Ältere Jugendliche sind dazugekommen und versuchen, sich gegenseitig abzuschießen. Manchmal saust der Ball haarscharf an den Kleinen vorbei. Das darf nicht sein. Motilla redet mit den Älteren. Ob sie nicht für kurze Zeit noch draußen bleiben könnten, das Training sei gleich vorüber. Er tut das auf seine sanfte, ruhige Art. Und das Unmögliche wird wahr: Die Älteren, unangefochtene Herren des Käfigs, räumen den Platz, nicht sofort, aber doch allmählich. Es sind wohl Vorkommnisse dieser Art, um die es den Caritas-Verantwortlichen geht. Die Kleinen sollen sehen: Konflikte lassen sich nicht nur mit Fäusten, sie lassen sich auch mit Worten lösen. Sogar mit ganz sanften.