Kaiserwiese zurückerobern?vorstadt

Im Eingangsbereich des Wiener Praters wildert das große Geld

Die Dorfstürmer, Die Ötscherbären, Nordwand, Die Edlseer … Lederhosenträgerbands des kommenden Wiener Wiesnfestes im Herbst 2015. Diese Veranstaltung am Rande des Praters ist ein Teil der neuen Stadteventindustrie, die öffentliches Grün in eine Kommerzzone verwandelt. Robert Sommer sprach mit zwei Aktivist_innen der Bürger_inneninitiative «Kaiserwiese für alle!»

Foto: Eric Kläring

Wie die meisten Sympathisant_innen dieser zivilgesellschaftlichen Initiative leben unsere Gesprächspartner_innen, der Künstler Eric Kläring (der die hier abgedruckten Fotos zur Verfügung stellte, Anm.) und die Biologin Eva Müller, auf der anderen Seite des Praterstern-Kreisverkehrs, in der Venediger Au oder überhaupt im Stuwerviertel. Auch verlockende Namen wie «Die Alpenyetis» würden sie niemals zu einem Wiesnfest-Besuch verführen können. Zumal sie ohnehin das gesamte Programm, weil sie innerhalb der Hörweite leben, bis Mitternacht gratis in die Wohnung geliefert bekommen. Die Lärmerregung ist dennoch das geringste Problem dieser Anrainer_innen; unsere Gesprächspartner_innen erwähnen es bloß, weil es im selben Bezirk kleine Lokale gibt, denen Musik nur bis 20 Uhr und in Zimmerlautstärke gestattet ist.

Das Hauptproblem ist, dass der Bevölkerung – der bisher jegliches Mitspracherecht verweigert wurde – einmal mehr ein öffentlicher Park widmungswidrig entzogen wird. Widmungswidrig, weil der Grundeigentümer, das Wiener Stadtgartenamt, zugelassen hat, dass der Mieter der Kaiserwiese, die Prater Wien GmbH, die offizielle Widmung als Erholungs- und Parkfläche untergräbt. Wenn der Standort sich als «Goldgrube» erweist, und das ist hier am stark frequentierten Prater-Eingang gewiss der Fall, sind Gesetze und Normen nicht das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind – an solcher neoliberalistischer Zwangslosigkeit erfreuen sich Häupl-nahe Eventmanager_innen.

Auch die Hauptallee ist nicht mehr tabu

Seit August 2014 eskaliert die Situation am Fuße des Riesenrades. Die Kaiserwiese ist durch die pausenlose Belegung mit Großveranstaltungen wie «Wiener Wiesn» oder (derzeit) «Palazzo» und durch deren wochenlange Auf- und Abbauzeiten ganzjährig abgesperrt und nicht öffentlich nutzbar. Die Kaiserwiese verkommt zu einem

meterhoch eingezäunten Niemandsland! […] Durch das Übergreifen der Veranstaltungen auf Teile der Hauptallee und angrenzende Parkflächen

wird auch hier der Erholungswert stark beeinträchtigt.

So schaut die Entwicklung aus der Perspektive der protestierenden Anrainer_innen aus. Die Parkfläche, die als Liegewiese, als Gratisrasen für Hobbykicker_innen oder als Drachenstartplatz beliebt war, scheint Geschichte zu sein – falls Eva Müller, Eric Kläring und ihre Widerstandskolleg_innen es nicht schaffen, eine kritische Masse zu mobilisieren. Zwar ist ihre Petition mit den Forderungen nach einer «ganzjährig kostenlos nutzbaren und öffentlich betretbaren Kaiserwiese» und nach einem Verbot «kommerzieller und mehrwöchiger Großveranstaltungen auf der Kaiserwiese» mittlerweile von rund zweitausend Anrainer_innen unterzeichnet worden, aber die beiden Großparteien im Bezirksparlament, SPÖ und ÖVP, agieren in dieser Angelegenheit wie zusammengeschweißt im Sinne des Profiteurs der Kommerzialisierung, der Prater Wien GmbH. Gegen die Verbandelung von Wurstlpraterbetreiberfirma und lokaler Politik scheint kein Kraut gewachsen zu sein.

Drohende Aktion Kaiserschotter

Bei der Verwertung der Kaiserwiese geht es um so große Geldsummen, dass seitens der Politik ein Bürger_innenbeteiligungsverfahren – dessen Ausgang ja, wenn sie nicht als Farce gedacht ist, offen sein müsste – nicht in Frage kommt. «Immerhin konnten die oppositionellen Fraktionen in der Bezirksvertretung, die Grünen und die KPÖ, dank des Minderheitenrechtes die Durchführung einer Bürger_innenversammlung durchsetzen», erklärt die Biologin Eva Müller, die seit zehn Jahren im Stuwerviertel lebt und auch an anderen «Fronten» des gentrifizierungsgefährdeten Grätzls engagiert ist, etwa gegen die Sexarbeiterinnen-Vertreibung. «Leider darf der Bezirksvorsteher entscheiden, wann er diese Versammlung einberuft, und wir befürchten, dass er das tut, nachdem die frisch geschaffenen Geheimgremien über die Zukunft der Kaiserwiese schon Vorentscheidungen getroffen haben.»

Der Künstler Eric Kläring, dessen «Atelier Synkoop» an der Ecke Venediger Au/Arnezhoferstraße sich zum «Headquarter» der Privatisierungsgegner_innen entwickelt, ersucht die Augustin-Leser_innen im März um erhöhte Aufmerksamkeit, die Kaiserwiese betreffend: «Unser SPÖ-Bezirksvorsteher, Herr Hora, hat angekündigt, die – nicht mehr existierende – Wiese durch einen Schotterrasen zu ersetzen. Schotterrasen werden als grünere Alternative zu Asphaltflächen vor allem für Parkplätze aufgetragen. Sie sind sicher kein Ersatz für Parkwiesen. Wir befürchten, dass nach dem Auslaufen des Palazzo-Events die Schotter-Transporter kommen. Das müssen wir verhindern!»

Info:

kaiserwiesefueralle@gmail.com

Tel. 0650 644 03 64

Facebook-Gruppe: Kaiserwiese für alle!

www.flickr.com/photos/kaiserwiesefueralle