Mit dem Nationalteam im Knastvorstadt

Gilbert Prilasnig und der Homeless-Fußball

Fu__ball.jpgEinmal im Jahr erklingt für Österreichs Nationalmannschaft die Hymne beim

Homeless-Worldcup. Sportlicher Leiter des Homless-Teams ist der Ex-Sturm-Abwehrrecke und Ex-Internationale Gilbert Prilasnig. Mit ihm musste der ganze Kader jüngst in den Knast

Gleich vorweg, angestellt hatte keiner was. Im Gegenteil: Der Besuch der Jugendjustizanstalt Gerasdorf hatte viel mehr sportliche und freundschaftliche Gründe. Im Jugendgefängnis galt es einen Fußballplatz zu eröffnen, und so wurde das Homeless-Nationalteam zur sportlichen Einweihung geladen. Coach der jugendlichen Häftlinge ist seit einiger Zeit der im Vorjahr so erfolgreiche U20-Nationaltrainer Paul Gludovatz. Und das machte sich auch auf dem Spielfeld bemerkbar. Die bestens eingestellten Gerasdorfer spielten diszipliniert, taktisch klug und siegten vor den Augen ihrer Chefin, Justizministerin Maria Berger, und Ex-ÖFB-Präsident Beppo Mauhart verdient mit 4:1.

Asylwerber als Weltmeister für Österreich

Das Homeless-Nationalteam wird seit 2004 von Gilbert Prilasnig betreut. Der 18fache Teamspieler und mit Sturm Graz Champions-League-erprobte Defensivspezialist wurde als Teamchef gewonnen, nachdem 2003 der erste Streetsoccer-Worldcup in Graz ausgetragen wurde. Die Initiative zu dieser Weltmeisterschaft für Obdachlose ging von der Grazer Straßenzeitung Megaphon, der Caritas und dem International Network of Street Papers aus. Und gleich bei der Premiere gelang dem Gastgeberteam vom Megaphon ein symbolträchtiger und denkwürdiger Erfolg: Vor heimischem Publikum machten afrikanische Asylwerber Österreich zum Fußballweltmeister! Ein Jahr später in Göteborg scheiterte das Team erst im Finale an der Titelverteidigung. Es folgten die Turniere in Edinburgh (2005), Kapstadt (2006) und Kopenhagen (2007) mit etwas weniger spektakulärem Erfolg. Im Dezember wird der diesjährige Bewerb in Melbourne über die Bühne gehen, und Prilasnig ist schon beim Scouting für die Kaderplanung. Keine leichte Aufgabe, denn Prilasnig darf ausschließlich Teamneulinge nach Melbourne mitnehmen. Durfte ein Spieler bislang zweimal zur Endrunde, so ist seit heuer nur mehr eine Teilnahme möglich: Prilasnig muss also auf bewährte Kräfte verzichten und besucht daher regelmäßig Obdachlosen-Turniere in ganz Österreich. Und er hat auch die Schirmherrschaft für den Augustin-Cup am 13. September übernommen. Es ist gut, dass in Wien so viel getan wird, lobt der Teamchef den Wiener Wohnungslosenfußball.

Bei seiner ehrenamtlichen Tätigkeit stehen dem Teamchef noch Teammanagerin Monika Tragner und Trainer Klaus Fuchs zur Seite. In den Trainingslagern vor der Weltmeisterschaft setzt der Betreuerstab vor allem auf die taktische Schulung, um die Schlagkraft der Mannschaft zu erhöhen, erklärt Prilasnig. Und die Burschen geben in puncto Einsatz und Arbeitseinstellung immer 100 Prozent. Die Spieler sind viel leichter zu motivieren als zum Beispiel in der Regionalliga, weiß der Teamchef, der heuer mit dem Regionalligisten SV Horn den ÖFB-Cup gewonnen hat, um ein weiteres Jahr verlängerte und um den Aufstieg mitspielen möchte.

Sportliche Autorität und soziale Kompetenz

Doch die sportliche Autorität des 35-jährigen Profikickers mit Auslandserfahrung in Griechenland und Polen ist gefragt, wenn es ums Teambuilding geht: Die gruppendynamischen Prozesse sind zwar in allen Mannschaften die gleichen, aber beim Homeless-Team gibt es klarerweise auch andere Charaktere, als im Profifußball, beschreibt Prilasnig den Unterschied zum bezahlten Fußball. Vor allem bei der Selbsteinschätzung von Stärken und Schwächen und der Konfliktfähigkeit hapere es manchmal. Und wenn die Kicker im Nationaldress auflaufen und die Bundeshymne erklingt, ist die Anspannung doch sehr groß, erzählt Prilasnig aus seinen Turniererfahrungen: In Kapstadt zum Beispiel war das Mannschaftsklima schlecht, sonst hätten wir sicher ein um zehn Plätze besseres Ergebnis erreicht, erinnert sich der Teamchef.

Da sind dann andere als sportliche Qualitäten gefragt: Wenn es nicht gut läuft, muss man die Burschen wieder aufrichten, beweist der Teamchef nicht nur sportliche, sondern auch psychologische Kompetenz. Und Prilasnig wirkt im Umgang mit seinen Kickern locker und unkompliziert: Ich glaube, so falsch ist das nicht, was ich mache, vertraut der Profi auf sein Gespür und seine eigene fußballerische Sozialisation. Die Spieler ihrerseits respektieren ihren Coach nicht nur wegen seiner sportlichen Autorität, sondern auch weil er ein leiwander Typ ist, wie es Kapitän Mayer nennt.

Augustiner im Teamdress

Rudi Mayer ist einer jener Nationalspieler, die auf Vereinsebene für den FC Schwarz-Weiß Augustin spielen. Den Dress der Straßenzeitungself trugen aber auch schon Abwehrchef Hannes Krassa und der leider im Vorjahr viel zu früh verstorbene Goalie Manol-Kurt Ivantschev. Auch die anderen Wiener Großklubs der Wohnungslosenszene, die Gruft und das Tageszentrum JOSI, stellen regelmäßig einige Kicker für die Nationalmannschaft ab: Herbert Urschitz, Andreas Müllner oder Markus Girsch haben Österreich ebenso vertreten wie Alfred Ellmer und Georg Knauer. Während unter den Spielern bei Turnieren wie dem Hallencup in der Hopsagasse starke Rivalität herrscht, ist die Freundschaft und der Zusammenhalt im Nationalteam groß. Bei der Ausfahrt ins Gefängnis Gerasdorf herrscht eine tolle Stimmung, fast so wie im Urlaub bei Freunden.

Die Kicker vom Homeless-Nationalteam, im Schnitt um die 40 Jahre, nahmen die Niederlage dann auch mit Fassung: Das soll ja eine Gaudi sein, und für die Buam ist der Sieg eh wichtiger, meinte etwa der mitgereiste Augustin-Goalie Thomas Grussl. Eine Verletzung verhinderte zwar seinen Einsatz, aber zur moralischen Unterstützung war er mitgekommen. Er zählt, ebenso wie Sturmtank Gosha Dogodnadze, zu den Kandidaten von Gilbert Prilasnigs Kaderplanung für Melbourne. Denn beide waren noch nie beim Homeless-Worldcup und wären eine echte Verstärkung, wie der Teamchef anmerkt. Auch Kapitän Rudi Mayer war nicht traurig. Im Gegenteil, der Spaßvogel im Team blödelte mit seinen Kumpels noch über die höhnischen Schlachtrufe der Gerasdorfer Fans: Ihr könnt nach Hause fahren, ihr könnt nach Hause fahren ! Ja eh, wir schon, konterte er mit seinem trockenem Humor.