O-Töne begleitend zum (Foto-)Projekt «Häuslbauer»vorstadt

Folge 2 von 3 - Herbert K.

Der Fotograf und Sozialarbeiter Simon van Hal holte obdachlose Menschen für seine Fotoserie «Häuslbauer» nicht nur vor die Kamera, sondern auch vor das Mikrofon.

Woher stammen Sie? Ich komme aus Kärnten.

Darf ich fragen, wie alt Sie sind?

Ich bin bald im fünfundsechzigsten Jahr.

Wann und warum sind Sie nach Wien gegangen?

Nach dem Bundesheer bin ich nach Wien gezogen, weil ich was anderes sehen wollte. Ich bin gelernter Schlosser und hatte eine Arbeit, wo ich gut verdienen konnte, aber Lärm hat mir die Ohren ruiniert. Der Arzt fragte mich, was mir lieber sei, das schöne Geld oder Ohren, die nicht komplett bedient sind. Außerdem habe ich die Schichtarbeit nicht gemocht.

Wie ist es beruflich weitergegangen?

Ich habe dann für die Tiefgarage bei der Kärntner Straße gearbeitet und später nur noch über Leihfirmen. Ich bin zu Weinbauern oder auf Montage nach Ungarn, und im Winter bin ich immer stempeln gegangen.

Ab dem Alter von 53 Jahren habe ich überhaupt keinen Job mehr gekriegt. Immer nur kurz, für ein paar Wochen irgendwo gearbeitet, dann wieder stempeln gegangen. Und ein paar Jahre später war es dann überhaupt aus: keine EDV-Kenntnisse, keine Internet-Kenntnisse, und alt bin ich auch schon gewesen.

Ein Hofrat, den ich vom Schachspielen her kannte – er muss ein höheres Vieh gewesen sein – hat mir geholfen, denn ich musste Kurse machen, einer blöder als der andere; diese Kurse haben überhaupt nichts gebracht. Und dieser Hofrat muss dem AMS gesagt haben, dass sie mich in Ruhe lassen sollten! Und ich hatte auf einmal Ruhe vor dem AMS, und zwei Wochen nach meinem sechzigsten Geburtstag erhielt ich ein Schreiben von der Pensionsversicherungsanstalt.

Warum sind Sie obdachlos geworden?

Ich wollte von meiner Gemeindebauwohnung weg, denn ich habe den Wirbel drumherum nicht mehr ausgehalten. Ich habe gesagt, dass ich die Miete nicht mehr bezahlen könne, weil ich mein Geld verspielt habe, und ließ mich kündigen. Ich habe dann in einem öffentlichen WC geschlafen, denn in die Gruft wollte ich nicht gehen, weil sie mir – unter Anführungszeichen – ein bisschen zu brutal ist. Ich bin ein sehr sensibler Mensch, somit wäre die Gruft für mich nie in Frage gekommen. Jetzt habe ich aber meinen Frieden in einem Wohnheim gefunden. Die Miete ist sehr günstig, ich bezahle 330 Euro mit allem wie Fernwärme, Strom und Wasser.

Wie war das mit der Toilette-Anlage? Der Winter ist verregnet gewesen, daher konnte ich nicht im Freien schlafen, zudem hatte ich offene Füße. Aber im Sommer auch nicht, weil mich sonst die Gelsen gefressen hätten. Außerdem hatte ich Angst davor, überfallen zu werden. Am Häusl hatte ich meine Ruhe, und weil zwei WCs dort sind, hatte es nie Schwierigkeiten gegeben. Zwischen sieben und acht Uhr bin ich immer aufgestanden und in ein nahegelegenes Café frühstücken gegangen oder zum Supermarkt.

Ich habe auch ein Depot für meine Sachen gehabt, denn im Wald kann man nichts verstecken, weil es die Mäuse anbeißen würden oder alles zum Schimmeln anfängt. Gut, das Depot war nicht billig, ich bezahlte für dreißig Quadratmeter einhundert Euro.

Wie haben Sie den Tag verbracht?

Damit ich auf andere Gedanken komme, habe ich mir oft einen Doppler Wein gekauft, Lotto gespielt und bin irgendwohin rausgefahren, zum Beispiel nach Neuwaldegg und habe mich zu einer Haltestelle gesetzt.

Info:

Fotoserie «Häuslbauer»

Bis 30. 3. 2015

Hauptbahnhof Wien (Digiwall)

Vom 16. 3. bis 31. 3.

magdas Hotel

Laufbergergasse 12, 1020 Wien

http://simon-vanhal.com