Aufstieg einer KämpferinArtistin

Sandra Selimovic gilt manchen als Wiens selbstbewussteste Romni

SandraSelimovic.jpgSandra Selimovic ist das, was man ein Multitalent nennt. Selbstbewusst als Tänzerin, beeindruckend als Schauspielerin und kreativ als Choreographin zeigt sie, was man alles schaffen kann, wenn man den Mut und den Willen dazu hat. Sandra ist Migrantin aus Serbien und sie gehört zur Volksgruppe der Roma.

Sie ist eine besondere Erscheinung: Voller Energie setzt sich Sandra Selimovic im Theater Dschungel neben mich, bereit für das Interview. Erwartungsvoll blicken mich ihre klaren blauen Augen an. Eines ist aber jetzt schon sicher: Diese Frau wird um keine Antwort verlegen sein.

Im Alltag merke ich oft, dass ich andere Wurzeln habe. Ich bin ein leidenschaftlicher und impulsiver Mensch und lasse mich oft von meinen Gefühlen leiten. Das wirkt auf manche Menschen befremdlich. Besonders wenn ich unsere Musik höre, fühle ich mich sehr stark als Romni.

Die 27-jährige Schauspielerin, Tänzerin und Choreographin mit ex-jugoslawischen Wurzeln arbeitete bereits mit Harri Stojka, Rusza Nikoli-Lakatos und Tina Leisch, mit der sie gemeinsam eines der geachtetsten Theaterprojekte des Jahres herausbrachte: Gangster Girls. Der Dokumentarfilm zur Theaterproduktion mit Gefängnisinsassen direkt aus dem Häfn lief hoch gelobt bei der Viennale 2008.

Am Anfang war es schon komisch, mit Gefängnisinsassen zu arbeiten. Aber ich habe versucht, objektiv zu bleiben. Ich habe es anfangs verweigert zu erfahren, warum die Menschen, mit denen wir arbeiteten, hier sind. Nach und nach, während der Proben zu dem Stück, habe ich es dann gehört. Aber da war es anders, persönlicher. Es war mir wichtig, jedem die gleiche Chance zu geben. Diese Erfahrung hat mich sehr geprägt. Es ist mir bei der Arbeit immer wichtiger geworden, welchen Charakter die Menschen haben, wie sie sich mir gegenüber verhalten, und nicht, wofür sie bestraft worden sind. Die Arbeit in diesem Projekt hat mich auf jeden Fall tougher gemacht. Der Erfolg gab Sandra recht. Aber sie ist schon wieder mitten in der nächsten Produktion: Das Stück Jugend ohne Gott wird ab Frühjahr 2009 im Theater Dschungel Wien aufgeführt.

Bald auch Filmemacherin?

Es war nicht immer leicht, meinen eigenen Weg zu gehen, alles im Leben hat seinen Preis, ist Sandra selbst stolz auf ihren Erfolg, bleibt aber am Boden. Ihre Ziele dagegen sind hochgesteckt. Ich will in Zukunft selbst Filme produzieren und zeigen, wozu die junge Generation der Roma fähig ist.

Schon in der Schule bemerkte sie, dass sie einen Hang zur Selbstdarstellung hatte: Ich konnte nie stillsitzen, war immer sehr aktiv. Ich war schon damals in der Theatergruppe der Schule und wurde dort Jackson genannt, wie mein berühmtes Vorbild. Deutsch lernte ich aber erst in der Schule, zu Hause haben wir immer Serbisch und Romanes gesprochen.

Das höre ich mit Verwunderung, denn ihr Deutsch ist akzentfrei. Schöner als das, was man von so manchem Einheimischen hört. Ein Theaterdeutsch, wie es auch noch die ältere Generation großer Schauspieler loben würde.

Zu ihren Eltern hatte Sandra lange ein gespaltenes Verhältnis, da ihre progressive Lebensweise und ihr Berufswunsch, zum Theater zu gehen, im Widerspruch zu deren traditioneller Lebensweise standen. Auch zur Tradition gehört es eigentlich, jung(fräulich) zu heiraten. Doch Sandra wehrte sich dagegen, wollte ihren eigenen Weg gehen.

Meine Eltern bestanden darauf, dass ich einen richtigen Beruf lerne. So machte ich eine Lehre als Einzelhandelskauffrau. Danach konnte ich endlich meinen wahren Traum verfolgen: Schauspielerin zu werden.

Das Zigeunermädchen

Ihre erste Rolle bekam Sandra als 13-Jährige nach einem ORF-Casting. Ironischerweise war es die Rolle eines Zigeunermädchens in einer Kinderserie. Zu diesem Zeitpunkt spielte sie bereits parallel in verschiedenen Theaterstücken. Schließlich lernte sie den Regisseur Karl Wozek kennen. Er entdeckte ihr Talent und machte sie zum ersten Ensemblemitglied seiner eigenen Theatergruppe, dem Theater Wozek. Es folgte ihr erster Theatervertrag bei Klaus Fischer für das damalige Theater Gruppe 80. 2004 machte Sandra ihr Diplom mit der paritätischen Prüfung und schloss so ihre Ausbildung am Theater ab.

Das alles war aber nicht leicht. Ich musste mir mein Leben und meine Ausbildung finanzieren. Nebenbei habe ich immer gearbeitet, alle möglichen Jobs, um an mein Ziel zu kommen, meine Träume zu verwirklichen.

Doch auch heute, wo sie schon so weit gekommen ist, bleibt sie am Boden und setzt sich weiterhin hohe Maßstäbe: Ich will Rollen mit Inhalten spielen, die Menschen mit dem, was ich tue, berühren und bewegen. Auch Filme würden mich interessieren. Mein Ziel ist es, in Zukunft meine eigenen Drehbücher zu verfilmen.

Sogar meine Eltern sind mittlerweile auf ihre eigene Art und Weise stolz auf mich. Sie besuchten vor kurzem sogar ein Stück von mir. Das hat mir sehr gefreut.

Die Risiken des Scheinwerferlichts

Doch mittlerweile hat Sandra Selimovic auch die Schattenseiten des Theaterlebens kennengelernt: Man muss immer lächeln, immer gut drauf sein. Es ist wichtig, im richtigen Moment zu funktionieren, eine Maske zu tragen, die niemals müde wirkt. Da ist es schwierig, bei sich selbst zu bleiben. Das Scheinwerferlicht, der viele Glitzer und Glamour täuscht. Man darf sich nicht in seinen Bann ziehen lassen und muss sich auf das besinnen, was einem wirklich wichtig ist. Ich beginne gerade, meine Prioritäten neu zu ordnen. Meine innere Ruhe ist mir sehr wichtig, ich brauche sie, um mich nicht zu verlieren und um mir selbst treu zu bleiben.

Als Ausgleich zu diesem stressigen Leben bevorzugt es Sandra zu reisen: Ich fühle mich glücklich, wenn ich reisen kann und fremde Kulturen kennenlernen darf. Mich zieht es in die Ferne, gleichzeitig ist aber Wien eine tolle Stadt zum Leben. Hier ist es gemütlich, und es gibt viele Möglichkeiten, sich künstlerisch zu betätigen. Das hält mich lebendig. Ich blühe erst in Interaktion mit anderen Menschen so richtig auf. Ich lerne und wachse dabei. Die schönsten Momente meines Lebens verdanke ich den Menschen, die mich umgeben.

Nach ihrem Privatleben befragt, schmunzelt sie: Ich bin Single und genieße es. Ich hätte nichts gegen eine Beziehung, allerdings ist das nicht so einfach, wenn man als Schauspielerin arbeitet. Vielleicht muss man ja einmal eine Liebesszene mit einem Kollegen drehen, lacht sie. Außerdem würden meine Eltern sicher gerne einen Rom an meiner Seite sehen, aber ich bin offen man weiß ja nie, wo die Liebe hinfällt. Mit diesen Worten verlässt Sandra mich wieder. Zurück zur Probe, zurück zur Bühne. Dorthin, wo sie ganz eindeutig auch hingehört.

Info:

sandra.selimovic@chello.at

gipsysam969@hotmail.com