Ernsthaft vergnüglichArtistin

Musikarbeiter unterwegs … im Spätsommer mit «Winter»

Max Holz sind eine 2012 in Wien gegründete Band. Im ­Februar 2018 veröffentlichte das ­Quintett sein eindrucksvolles erstes ­Album. Von ­Rainer Krispel (Text) und Mario Lang (Foto).

Das Kind verarbeitet den ersten Schultag nach den Ferien, ich liege im Bett, höre Musik. Gun Club mit Miami (eine Liebe, die seit 36 Jahren hält, ihre Stimme, die von ­Jeffrey Lee Pierce, sagt und singt seit über 22 Jahren leider nichts mehr Neues). Dann der Griff zur Schallplatte Winter von Max Holz. Eine in Form und Inhalt schöne, klare Platte. Ein wunderbarer Soundtrack, eine Musik als vertrauenswürdige, verlässliche Begleiterin und doch auch überraschende Impulsgeberin, während die Blicke an und über die Zimmerdecke, durch diese hindurch wandern und an der Kante von wortlos zu überbordend sprachsprudelnd eigentlich alles und nichts durch den bald herbstmüden und regierungstrüben Kopf zieht. Die Platte wäre jetzt umzudrehen, die schöne Musik klingt noch weiter, innen.

Allmighty (inspired Kaffeehaustalk).

Felix Kabas (Akkordeon, Stimme) und Martin Mikulik (Gitarre, Hauptstimme) erzählen an einem das Volksstimmefest verregnenden Sonntag (Martin und Musiklichtbildner Lang gehen später trotzdem hin) die Geschichte von Max Holz. 2012 von Berlin nach Wien zurückkommend, will ­Felix seine neue Liebe zum Akkordeon hier ausleben, findet im Freundeskreis Schlagzeuger Valentin Sützl. Das Duo schöpfte aus, was sie mit diesen Klangquellen machen können, will aber (noch) mehr. Mit Gregorio Lubroth (Violine, Stimme) werden sie zum Trio, «so haben wir sicher zwei Jahre gespielt». Der rein instrumentale Sound, den sie für sich auf einer CD festhalten, wollte sich weiter verändern. Stimme? Stimme. Felix lud Martin, in dessen mittlerweile aufgelöster Band Radical Chique er kurz mitspielte, zu einer Probe ein. Martin hörte zu, griff noch nicht zur Gitarre, fing schließlich «opernmäßig», für sich etwas ausprobierend, an zu singen. Den anderen taugte es sehr, die Band war ein Quartett. Reduzierte Texte entstanden, die der nun nicht mehr rein instrumentalen Musik weiter den größten Raum, zu sprechen, lassen. 2016 kommt schließlich Thomas Aichinger (Bass, Keyboards, Stimme) zur dann kompletten Band, ein erfahrener Musiker, der in Folge die exzellente Aufnahme der zehn Stücke besorgt, die Winter bilden.

10 Pearls.

Beim Hören von Winter fügt sich das Ausgangsmaterial dreier Schreiber – Felix, Gregorio und Martin – nach der Bearbeitung durch das Kollektiv zu einem stimmig fließenden Ganzen. Die beiden Max-Holz-Musiker erzählen davon, wie sie zu fünft ihre Stücke regelrecht «ausverhandeln», bis sich die gemeinsame «ästhetische Absicht» manifestiert und nicht zuletzt die einzelnen Musiker mit ihren jeweiligen Parts zufrieden sind. Naturgemäß konzentrierten sich Max Holz zum Albumtitel passend auf ihr «melancholischeres» Material. Gemahnt Opener ­Allmighty an den ewigen Wayfaring Stranger und erzeugt so eine existenzielle, elementare (das Leben kann ernst sein!) Grundstimmung, die den meisten der anderen Stücke auf ihre Art ebenso eigen ist, ließen sich Second Thought I & II oder Pearls (auf einem Stück von Georges Bizet basierend) hervorragend in dunkler gestimmten skandinavischen oder US-amerikanischen Serien (True Detective, Season 1) einsetzen. Aber eben doch dann, wenn sich in deren Verläufen aus mannigfaltigen Jammertälern (Leben und Kapitalismus sind stets mörderisch!) heraus wieder Hoffnung, oder «Licht», nicht selten durch die gelebte Mitmenschlichkeit der Liebe, offenbart. Es ist schlicht schön zu hören, wie sich aus den unterschiedlichen Prägungen und Vorlieben der Beteiligten, von Indie-Pop (Martin) über Folk, Rembetiko, Balkan-Sounds (Felix), Jazz (Gregorio) und Hip-Hop (Valentin), nicht zu vergessen Thomas Arbeiten fürs Theater, etwas formt, das sich einer allzu einfachen (mit «Weltmusik» wurde schon zu viel Schindluder getrieben) Erklärung entzieht, aber garantiert das Zuhören (be-)lohnt. Weltoffene Erwachsenenmusik, die ihrem ­Winter mit den beiden italienisch gesungenen Liedern Pozzociolino und Principessa noch einmal neue Ebenen aufmacht. Felix und Martin stellen uns Pozzo Ciolino vor, einen Ort mit 103 Menschen (53 Männer, 50 Frauen, lässt mich das Netz wissen) in Umbrien, wo die Leute – ganz ohne Café! – am Dorfplatz zusammenkommen und reden, auf Steinbänken und auf aus den (wenigen) Häusern geholten Sesseln sitzend. Das wäre ein schöner, ein perfekter Ort für ein Max-Holz-Konzert, die dort im Spätsommer auf diesem Platz konzentriert ihre Stücke spielen würden, nicht zu laut und nicht zu leise, wir alle ganz Ohr, ganz versunkenes Nachsinnen der Musik und Freude an den gerade geteilten Momenten. Gegen Schluss packen sie ihre «durigeren» Lieder aus, und schon tanzen wir auf den Steinbänken, speichern mit der Bewegung und der Musik, die den Platz und uns ausfüllt, eine Energie, die jedem Winter seinen Schrecken nimmt.

 

Max Holz: Winter

Mildenburg Records

Live: 28.September

7., Ateliertheater,

Burggasse 71

maxholz.bandcamp.com