«Dass ich einmal als Zweigelttraube fröhliche Urständ feiere»tun & lassen

Die Nazi-Vergangenheit Friedrich Zweigelts war in den Jahrzehnten nach der Befreiung Österreichs 1945 nicht unbekannt. Schließlich war er sechs Monate wegen «Volksverhetzung» in Haft. Trotzdem gelang ihm der Aufstieg zu Österreichs Rotwein-Doyen, was nicht nur seiner Züchtung einer robusten Rebsorte in den 20er Jahren zu verdanken war. Eine Spurensuche von Günther Stockinger

1945 verliert der fanatische Nazi, der bereits seit April 1933 NSDAP-Mitglied war, seinen Direktorenposten an der Höheren Bundeslehranstalt für Weinbau in Klosterneuburg, den er 1938 mit der Enthebung von 45 Lehrerkollegen und dem Spruch «Jetzt gehe ich auf Menschenjagd» angetreten hatte. Friedrich Zweigelt ist fortan Konsulent in der Weinbranche. Dabei kann er sich auf sein altes Netzwerk aus derselben verlassen. Wichtigster Verbindungsmann, um sein Lebenswerk zu retten, ist der Rohrendorfer Großwinzer Lorenz (Lenz) Moser III. Der macht sich stark, den Wein, den Zweigelt selbst «Rotburger» genannt hatte, in «Zweigelt» umzubenennen. Lenz Moser selbst hatte über die Jahre hinweg mit der Rebsorte experimentiert und mit ihr jene Hochkultur in den österreichischen Weinbau eingeführt, die heute Standard ist.

Leitsorte.

Der Zweigelt ist heute das Pendant zum Grünen Veltliner bei den Weißweinen, er ist Österreichs Leitsorte bei den Rotweinen. Bereits 1956 schreibt Zweigelt an Lenz Moser: «Ohne dich wäre diese Rotweinzüchtung kaum mehr viel beachtet worden. Die kleinen Geister, die noch immer von Hass leben, werden es nicht gerne sehen, dass ich vielleicht einmal im Weingarten auf einer Tafel als Zweigelttraube fröhliche Urständ feiere.» Zweigelts Hoffnung sollte aufgehen. Der schlampige Umgang mit der jüngeren Vergangenheit Österreichs war ihm dabei eine große Hilfe.

Kein Widerspruch.

Noch dauerte es einige Jahre, bis der Rotburger auch offiziell Zweigelt heißen sollte, aber 1975, lange nach Zweigelts Tod, stand die neue Qualitätswein-Rebsorte-Verordnung an: Auf Anregung von Lenz Moser wurde der Wein in Zweigelt umbenannt. An den zuständigen Stellen regt sich dagegen kein Widerspruch. Weder beim zuständigen Landwirtschaftsminister in der damaligen Kreisky-Regierung Oskar Weihs – Eintritt in die NSDAP am 1. August 1932, Mitgliedsnummer 1.089.867 – noch bei dessen Staatssekretär, dem späteren Landwirtschaftsminister Günter Haiden – Eintritt in die NSDAP am 20. Juli 1944, Mitgliedsnummer 9.851.575. Auch der damalige Obmann des Weinwirtschaftsfonds (1972–1986) und Präsident des Bundesweinbauverbandes (1970–1985) Erich Mauss (ÖVP) hatte nichts gegen die Neubenennung einzuwenden. Brüder im Geiste hatten im Land des Opfermythos zueinandergefunden. Offizielle Begründung für die Zweigelt-Erhöhung: Es hätte eine Verwechslungsgefahr mit einer weiteren Neuzüchtung, dem Rotberger, gegeben, die 1971 in die Sortenliste eingetragen worden war. Der wollte man vorbeugen. Freilich hatte sich damals schon die Erfolglosigkeit dieser Neuzüchtung herausgestellt. Trotzdem wurde der Vorwand gerne akzeptiert. Die Rebsorte Zweigelt konnte weiter ihren Siegeszug antreten, gefördert von hochoffizieller Stelle.

Blau-Schwarz-Preis.

Die blau-schwarze Regierung freilich setzte noch eins drauf: 2002 initiierte der Verein Weinstraße Kamptal in Person des Obmanns des Weinbauvereins Langenlois, Erich Kroneder, den «Dr. Friedrich Zweigelt-Preis», der im selben Jahr auch erstmals vergeben wurde. Die Wiener Zeitung vom 13. 11. 2002 vermerkte dazu: «Die Preise – eine Büste des Züchters Dr. Fritz Zweigelt – wurden im Rahmen einer Feier im Schloss Gobelsburg von Landwirtschaftsminister Mag. Wilhelm Molterer und der Bundesweinkönigin Margit Kalser übergeben.» Mit den Büsten hat man es seither nicht mehr so, neuerdings tut es auch ein Medaillon mit Zweigelts Konterfei. Das Stipendium allerdings ist noch immer substanziell. Übrigens hielt der Urenkel Zweigelts, der «erfolgreiche Winzer» (Wiener Zeitung) Thomas Leithner die Laudatio auf Zweigelt. Dessen Nazi-Vergangenheit erwähnte er mit keinem Wort.

Unterdessen zeitigen die Bemühungen, den «Zweigelt» umzubenennen, erste Ergebnisse. Als erster größerer Gastronomiebetrieb wird das Vindobona am Wallensteinplatz in Wien-Brigittenau den gefragten Roten künftig nur noch unter dem Namen «Blauer Montag» kredenzen.

Blauer Montag im Vindobona

Mit Maren Rahmann und Peter Friedl

Vindobona (20., Wallensteinplatz 6)

18. Februar, 19 Uhr

www.perinetkeller.at

 

Paradoxe Intervention: Zweigeln Sie auch?

Die Initiative, den berühmtesten österreichischen Rotwein, den «Zweigelt», wegen der

NSDAP-Vergangenheit seines Züchters, Dr. Friedrich Zweigelt (1888–1964) umzubenennen, hat das «Institut ohne direkte Eigenschaften», die VHS Hietzing in der Person ihres Direktors, des Kremser Historikers Prof. Dr. Robert Streibel, und den PEN-Club Austria zu einer «paradoxen Intervention» veranlasst:

Interessent_innen können Wortpatinnen und Wortpaten für das Wort «zweigeln» werden, das für einen patriotisch fachgerechten österreichischen Umgang mit der NS-Vergangenheit und dem Austrofaschismus, für Verschweigen und Verleugnen, steht.

Die Debatte um Fritz Zweigelt wurde vor einigen Monaten nach der Veröffentlichung des Buches Wein des Vergessens von Robert Streibel und Bernhard Herrman, in dem es um die «Arisierung» der Sandgrube 13 durch die Winzergenossenschaft Krems geht, neu befeuert und hat seither internationale Kreise gezogen, von den USA bis Israel.

1975, lange nach seinem Tod, wurde die vom Biologen und Önologen Dr. Friedrich Zweigelt gezüchtete Rotweinsorte nach ihm benannt, nachdem er selbst den Wein «Rotburger» benannt hatte.

Friedrich Zweigelt war nicht «bloß» ein illegaler Nazi vor 1938 in Österreich, er war auch Leiter der Klosterneuburger Weinbauschule (1938–1945) und hat als solcher seine Schüler auf die NS-Ideologie eingeschworen. Er war weit mehr als ein «Mitläufer». Der historische Hintergrund verdeutlicht den Begriff des «Zweigelns». «Wortpaten verpflichten sich, das Wort ‹zweigeln› in diesem Sinn zu verwenden», sagt Robert Streibel. Und führt einige Beispiele für «zweigeln» an:

«Waldheim hat sicher ‹gezweigelt›. Die SPÖ hat – nicht nur – im Fall des Euthanasie-Arztes Dr. Gross ‹gezweigelt›. Die FPÖ ‹zweigelt› nie, denn für sie ist die Vergangenheit die Zukunft. Die österreichische Nachkriegspolitik war über weite Strecken eine einzige ‹Zweigelung› …»

«Das Ziel der Wortpatinnen und Wortpaten ist es, für eine möglichst große Verbreitung des Wortes ‹zweigeln› zu sorgen. Das Wort ‹zweigeln› hat es verdient, das Wort des Jahres 2019 zu werden», gibt sich Streibel optimistisch.

In diesem Zusammenhang bereitet die VHS Hietzing eine Ausstellung über das Leben des Dr. Friedrich Zweigelt vor (Interssent_innen erfahren mehr unter hietzing@vhs.at ).