Jan

In Auhof besonders berühmt

Auhofcenter

Wie ich als Obdachloser auf die Idee komme zu sagen, das Leben sei schön?

Schau, viele streben nach Geld oder Vermögen, aber nicht nach Glück oder guten Beziehungen. Wir leben in einer Gemeinschaft: Alte Frauen und junge Männer, Moslems und Christen – wir alle sind Gottes Kinder. Gott habe ich aber nicht in einer katholischen Kirche, wo ich ein paarmal hingegangen bin, gefunden, sondern in der Bibel, vor allem in der Bergpredigt.

Mir kann man alles Materielle nehmen. – Übrigens, ich musste mir gerade ein neues Handy kaufen, denn ich übernachtete im Wald. Nach dem Aufwachen bemerkte ich, dass das Handy weg ist. Die Wildschweine werden es nicht gewesen sein. – Mein Gewissen habe ich aber noch nicht verloren, das ist für mich auch das wichtigste.

Im Jahr 2000 bin ich obdachlos geworden, im tschechischen Olomouc. Ich habe vorher bei der Post gearbeitet, konnte aber wegen der Modernisierung dort nicht mehr bleiben. Ich bin nämlich so stark sehbehindert, dass ich nicht von Bildschirmen lesen kann. Ich habe es dann noch als Buchhalter versucht, was aber auch nicht gegangen ist.

Vor sieben Jahren kam ich das erste Mal nach Österreich, wo ich kein Wort verstanden habe, obwohl ich von meinem Großvater, einem Sudetendeutschen, Deutsch gelernt habe. Meine Tochter lebt in Tschechien, wir telefonieren auch manchmal, aber die Gespräche beschränken sich auf: ‹Hallo, wie geht’s?› – ‹Gut!› – ‹Mir auch, tschüss.›

Vor genau fünf Jahren habe ich damit begonnen, den AUGUSTIN zu verkaufen. Es folgte eine längere Unterbrechung, weil ich als Küchengehilfe arbeiten konnte. Aber auch diesen Job habe ich wieder wegen meiner Sehschwäche verloren. Im rechten Auge trage ich eine Kunstlinse. Ich kann den Alltag bewältigen, aber lesen ist auch mit der Lupenbrille sehr schwierig. Ich höre daher sehr gerne Radio, vor allem Musik- und Kultursendungen.

Ich bekomme keine 400 Euro Pension, bin aber trotzdem gepfändet worden. Ich habe Probleme mit tschechischen Gerichten und suche daher hier in Wien einen Anwalt, der Tschechisch spricht. In Straßburg (Sitz des Europäischen

Gerichtshof für Menschenrechte, Anm.) sollte man sich einmal die tschechischen Gesetze genauer ansehen – die sind ein Wahnsinn!

Seit dem 15. März verkaufe ich wieder den AUGUSTIN, an meinem ursprünglichen Platz beim Auhofcenter. Ich sage gerne, der AUGUSTIN ist die berühmteste Zeitung der Welt, besonders in Auhof.

Foto: Mario Lang  

teilen: