Der WasserkocherDichter Innenteil

Texte von Frauen aus der Justizanstalt Schwarzau

Sammy Kovac war von 2003 bis 2007 in der JA Schwarzau inhaftiert. Sie ist eine der Protagonistinnen in Tina Leischs Film Gangster Girls. Im Laufe der Arbeit an dem Film begann sie zu schreiben. Der Augustin veröffentlicht Sammys Berichte über ihre Zeit hinter Gittern. Im ersten Teil erzählte Sammy, wie sie wegen eines Spielzeugpistolenüberfalls auf eine Trafik verurteilt wurde. Im zweiten Teil berichtete sie über Konflikte unter den gefangenen Frauen. Hier der dritte Teil.

Info:

Mehr über die Gangster Girls auf www.gangstergirls.at.

Der Film läuft am 27.März 2009 im Stadtkino an.

Ich war gerade eineinhalb Jahre in Haft. Ich befand mich auf der Jugendabteilung und war mit einem Mädchen namens Maria in der Zelle. Sie provozierte mich schon wochenlang. Ich hatte zu dieser Zeit schon Ausgänge. An diesem Tag hatten wir wieder einmal Streit. Wie immer. Weswegen, weiß ich heute nicht mehr, aber auf jeden Fall wegen irgendeiner Kleinigkeit. Sie hatte mich gestoßen, und ich wollte sie schlagen, ich zielte schon auf Maria, aber dann sagte ich zu ihr: „Nein, du bist es nicht wert, dass ich meine Ausgänge verliere. Und bin gegangen. Maria lief zur Beamtin und behauptete, ich habe sie geschlagen. Ich sagte zur Wärterin: „Nein, das stimmt nicht, sie lügt. Ich gebe zu, dass ich sie schlagen wollte, ich habe auf sie gezielt, aber ich habe es nicht getan, weil sie ist es nicht wert, meine Ausgänge zu verlieren.“ Ich bat die Beamtin, dass sie uns auseinander lege. Die Beamtin sagte nur: „Nein, wenn keine Ruhe ist, kommt eine von euch in den ersten Stock, also in den Normalvollzug.“ Dann war zwei, drei Tage Ruhe, jedoch fing sie wieder an, mich zu provozieren, meine Familie und mich zu beschimpfen.

Am nächsten Tag, nachdem ich aufgestanden bin, wollte ich mir einen Kaffee machen. Schon wieder hatte sie den Wasserkocher in eine andere Zelle mitgenommen. So war es an diesem Tag in der Früh auch. Ich habe nach ihr geschrien, weil ich nicht wusste, wo sie war. Ich brüllte, sie solle mir den Wasserkocher bringen. Ich habe es sicher zehn bis fünfzehn Mal gesagt, sie sagte immer nur: Gleich. Daraufhin drohte ich ihr: Ich zähle bis zehn, wenn du ihn nicht bringst, räume ich deine Sachen vom Kasten raus und werfe sie auf den Boden. Das tat ich dann auch. Sie beschimpfte mich und meine Familie so wie am Vortag auch schon. Plötzlich rief mich ein Mädchen, und ich ging zur Türe, das Mädchen gab mir den Wasserkocher in die Hand. Ich ging damit zum Waschbecken. Maria schimpfte weiter und räumte meine Sachen aus dem Kasten. Ich schüttete Maria das Wasser drauf, damit sie aufhört, meinen Kasten auszuräumen. Ich bemerkte nicht, dass das Wasser im Wasserkocher heiß ist, in diesem Moment war es mir auch egal.

Die anderen Mädchen läuteten natürlich an. Die Beamtin sperrte die ganze Abteilung ein. Ich war alleine in der Zelle, und Maria wurde in eine andere Zelle gebracht, bis 20 Uhr. Danach wurde meine Zelle aufgesperrt, und ich sagte der Beamtin, dass ich sicher keine Nacht mit der Maria in einer Zelle bliebe, nicht einmal eine Sekunde, denn ich garantiere für nichts. Die Beamtin entgegnete: Gut, dann kommt sie in die Absonderung. Doch dann kam eine weitere Beamtin dazu und meinte, ich sei die Schuldige, ich müsste in die Absonderung. Mir war es eh egal. Hauptsache nicht in einer Zelle mit Maria! Obwohl meiner Meinung nach zum Streiten immer zwei gehören und nicht nur einer, denn einer alleine kann gar nicht streiten. Ich nahm mein Bettzeug und ab in die Absonderung. Am nächsten Morgen um sechs Uhr ging die Tür auf und die Beamtin holte mich. Ich sagte, ich wolle weg von der Jugendabteilung, ganz egal wohin, und wenn es in den Normalvollzug sei, wo man die ganze Freizeit in der Zelle eingesperrt ist. Ich kam dann in den ersten Stock, allerdings nur für zwei Tage. Ich hätte die zwei Tage auch auf der Jugendabteilung bleiben können, aber ich wollte keine Sekunde länger mit Maria auf der gleichen Abteilung bleiben. Danach kam ich in den Erstvollzug, da wurde nämlich ein Platz frei.

Viele Leute haben gesagt, das sei unfair, das ich im Erstvollzug bin und meine Ausgänge habe. Aber ich wollte ja weg von der Jugendabteilung, ich bin freiwillig gegangen. Ich konnte meine Ausgänge behalten, weil ich zur Frau Oberstleutnant ging und sagte: Ja, ich habe das gemacht, aber ich habe wirklich nicht gewusst, dass es heißes Wasser war. Und ich habe vorher schon mehrmals darum gebeten, dass wir auseinander gelegt werden, aber nichts ist unternommen worden. Sie hat mich schon über längere Zeit provoziert. Ich weiß, meine Ausgänge kann ich jetzt vergessen. Die Frau Oberstleutnant sagte: Nein, Sie dürfen trotzdem auf Ausgang gehen.

Damit hatte ich nicht gerechnet. Die meisten anderen fanden das unfair. Bei der Verhandlung bekam ich dann sechs Monate wegen des Wasserkochers dazu.