Auf Kur fahren muss auch mal erlaubt seintun & lassen

Augustinverkäuferin Irene

Mein Standplatz ist in der Landstraße vor dem Eurospar. Dort bin ich tagtäglich, ob es regnet oder schön ist. Es gibt ein Vordach, da kann ich nicht nass werden.

Foto: Lisa Bolyos

Ich habe ja Probleme mit dem Eurospar. Es war auch in der Zeitung, im Kurier zum Beispiel, Kund_innen haben sich für mich eingesetzt, und Andreas Hennefeld vom Augustin hat auch vermittelt. Es gibt nämlich eine neue Filialleiterin, die mich hinausgeschmissen hat. Ich darf mich drin gar nicht einmal aufwärmen, ich darf das Geschäft nur zum Einkaufen betreten. Was draußen vor dem Geschäft ist, gehört nicht mehr zur Filiale. Die Filialleiterin kann mich hier nicht vertreiben. Ein Stück weiter vorne ist ein Kaffeehaus, wo ich meine Augustin-Sachen über Nacht ins Lager stellen kann. Ich verkaufe die Zeitung und natürlich den Augustin-Kalender, außerdem CDs und Bücher.

Mein Hund Cismo ist auch dabei, jeden Tag. Die Kunden kaufen oft Futter für den Hund. Ich kenne den Cismo schon vier Jahre. Der Mann, dem der Hund vorher gehört hat, war krebskrank, er ist mit 45 gestorben. Seitdem ist Cismo bei mir, nächstes Jahr werden es zwei Jahre.

Die Polizei war bei mir. Jemand hat sie angerufen: Der Hund ist unterernährt. Ein Polizist ist gekommen, hat sich das angeschaut, hat gelacht und ist gegangen. Die Polizei kommt wieder: «Sie wissen schon, dass Sie sich strafbar machen? Der Hund darf auf der Straße nichts essen, nichts trinken und er darf nicht auf der Decke sitzen, der Hund muss auf dem Steinboden sitzen. Bei Zuwiderhandeln müssen Sie eine Strafe zahlen.» Es war ein Kunde da, der hat mich gefragt, ob ich noch Probleme habe, und ich:«Ja, mit der Polizei.» Seitdem ist Ruhe. Der Mann dürfte etwas «Höheres» sein. Ich kenne keinen Fall, dass ein Hund auf der Straße nicht essen oder trinken darf, das ist ja paradox!

Gearbeitet habe ich bis zu meinem 30. Lebensjahr. Zuletzt im Hanusch-Krankenhaus als Stationsgehilfin, und ich habe schön verdient. Einmal war ich krank, da ruft meine Chefin an, sie hat niemand zum Einspringen, ich muss kommen. Ich war verkühlt, ich habe Fieber gehabt, ich habe trotzdem gearbeitet. Eine Woche später habe ich mir im Spital einen Virus eingefangen und meine Augen waren kaputt. Ich bin 100 Prozent sehbehindert. Sie haben mich in Pension geschickt mit 32 Jahren. Sie konnten nichts mehr machen. Damals habe ich das Spital nicht geklagt, weil ich zu wenig Bescheid gewusst habe, infolgedessen habe ich auch nichts gekriegt.

In ein paar Tagen fahre ich auf Kur. Und ein Kunde fragt mich, wie ich mir eine Kur leisten kann, wenn ich Augustin verkaufe. Das zahlt die Krankenkasse – ich muss meinen Beitrag zahlen, das ist richtig, das sind 450 Euro. Und dann sagt er zu mir: Ich habe in der Zeitung gelesen, Bettler verdienen im Monat durchschnittlich 2000 Euro plus 1000 Euro vom Sozialamt, ich soll mich genieren. Da sag ich: Ich bettle nicht. Ich verkaufe nur die Sachen vom Augustin. Ich kriege eine Invaliditätspension von 750 Euro, 350 zahle ich Zins, 150 Strom, Gas und Fernwärme. Was ich beim Augustin-Verkaufen verdiene, brauch ich zum Leben.