«Suchresultate für Leopold Kohr: keine»tun & lassen

Ignorierte Philosophie des menschlichen Maßes in der Stadtplanung

Die leidenschaftlichen Großstadtmenschen vom alternativen Stadtplanungsmagazin «dérive» haben wieder eine wunderbar lange Woche verdichteter Auseinandersetzung mit Großstadtthemen auf die Beine gestellt, das Internationale Urbanize Festival. Einzigartig ist es in seinem Anspruch, drei Gruppen zusammenbringen, die normalerweise isoliert voneinander denken und handeln. Das sind die Künstler_innen, die Stadtaktivist_innen (aus den vielen Bürger_inneninitiativen) und die Stadtforscher_innen.

Foto: Leopold Kohr Akademie

Wo, wenn nicht an solchen Zusammenballungen stadtplanerischer Kompetenzen, ließe sich leichter ein Urteil darüber bilden, inwieweit die Lehren des österreichisch-amerikanischen Utopisten Leopold Kohr (1909–1994) ein fröhliches Comeback erfahren. Eine Antwort liefert der Such-Button der Urbanize-Homepage: «Suchresultate für Leopold Kohr: Keine». Kohr, Philosoph des menschlichen Maßes, Protagonist der «Small ist Beautiful»-Idee, ist mit seiner Vision der polyzentrischen Städte immer noch nicht im aktuellen Stadtplanungsdiskurs angekommen. Obwohl nichts dafür spricht, dass seine diesbezüglichen, vor 40 bis 50 Jahren publizierten Konzeptionen, obsolet geworden seien.

«Warum sollte man nicht den überwiegenden Teil Londons in eine Föderation von Dörfern umwandeln, wie es der fröhliche Anarchist William Morris vorgeschlagen hat?», fragt Kohr in einem Artikel aus dem Jahr 1976. Nicht der Rückbau der Metropolen und Megacities ist damit gemeint (das wäre in der Tat ein rückschrittliches Denken), sondern eine Metamorphose der zentralistischen Großstädte in «ein polynukleares System in sich geschlossener autonomer Zentren, die ihre Bewohner in ihren eigenen Magnetfeldern halten» – und dadurch die Verkehrsverstopfung, die Erzkrankheit jeder Metropole, zum Verschwinden bringen. Dieses polyzentrische System müsse mehr als eine Gemeinschaft der Gemeinden sein, notwendig sei eine Gemeinschaft «der wunderbaren Gemeinden», denn jede müsste gleichermaßen ausreichend arbeitsplatz- sowie infrastrukturreich und «ästhetisch» sein, sodass die Bewohner_innen die Nachbar-Zentren nicht als tägliche Pendler_innen, sondern bloß als gelegentliche Tourist_innen besuchen.

Mit der Umwandlung der urbanen Struktur in dezentrale Kleinstrukturen könne man nicht die herkömmliche Stadtplanung beauftragen, weil diese blind gegenüber der Herausforderung der Ästhetik sei; statt den Planungstechnikern sollten sich Planungsgourmets an die Aufgabe der Dezentralisierung machen. Der «Anarchist» Leopold Kohr erweist sich hier als Partizipationsmuffel. Übersieht er, dass die kollektive Kompetenz einer sich selbst organisierenden Bewohnerschaft womöglich zu schönen basisdemokratisch legitimierten Lösungen käme, zu denen weder mit Macht ausgestattete Techniker_innen noch ebenso mächtige Gourmets in der Lage wären?

Leopold Kohr: «Probleme einer Stadt», Otto Müller Verlag, 161 Seiten.