Er ist Rapid…vorstadt

«Mister Rapid» Dionys Schönecker

… und wer seid ihr? Niemand hat die Geschichte von Rapid Wien so geprägt wie der «Sektionsleiter» Dionys Schönecker. Er formte eine Mannschaft mit einem eigenen Stil, sorgte für ein schönes Stadion und machte Rapid zum Rekordmeister. Wie hat er das gemacht und was kann man sich davon für heute abschauen?Was für ein Vorname, was für ein Mann! Dionys Schönecker hat 1910, mit 22 Jahren, seine laut Zeitzeugen biederen Fähigkeiten als Fußballer ruhen lassen und sich fortan als Sektionsleiter um die Geschicke von Rapid gekümmert. Er hat den schwammigen Titel großzügig ausgelegt und sich um Dinge gekümmert, die heute in den Tätigkeitsbereich von Präsident, Manager, Sportdirektor, Trainer und Scout fallen würden. Doch war man damals bei Rapid nicht so breit aufgestellt, im Gegenteil, nach über einem Jahrzehnt Spielbetrieb stand der Arbeiterverein vor dem Aus. 

Kein Geld, keine Spieler, kein Platz

Das Geld war knapp, Spieler auf dem Absprung. Der Platz auf der Schmelz wurde gekündigt, nachdem der Verein längere Zeit keine Miete gezahlt hatte. Im Nachhinein scheint es, als habe Schönecker die Quadratur des Kreises geschafft: Er hat eine junge, günstige Mannschaft aufgebaut, die mit einem neuen Spielstil, dem von internationalen Testspielgegnern abgeschauten Kurzpassspiel, sensationelle Erfolge feierte. Er ließ Beziehungen und Familienbande spielen und pachtete die Hütteldorfer Pfarrwiese. Das Stadion plante sein Bruder Eduard, ebenfalls ein Ex-Rapidler.

Die sportlichen Erfolge sind beeindruckend: Die junge Mannschaft gewann völlig überraschend die erste offizielle Meisterschaft, die 1911/12 ausgespielt wurde. Im folgenden Jahr wiederholte sie das Kunststück, ohne eine einzige Niederlage einstecken zu müssen. Bis 1925 war Schönecker Übungsleiter, in den 15 Trainerjahren holte er beeindruckende acht Meistertitel. Als Sektionsleiter blieb er dem Verein bis zu seinem frühen Tod – er erlag 1938 einer Bauchfellentzündung – erhalten.

Kollektiv vs. Uridil

Da er den kapriziösen Pepi Bican aus disziplinären Gründen rausschmiss, wird in manchen Publikationen behauptet, Schönecker hätte Stars und ihr dazugehöriges Auftreten gehasst. Doch wie konnte dann der Prototyp des Stars der Zwischenkriegszeit, Pepi Uridil, zwölf lange Jahre bei Rapid spielen? Am Gipfel seines Ruhms existierte nicht nur der noch heute gern als Artikelüberschrift benutzte Foxtrott Heute spielt der Uridil. «Ein Kracherl und ein Bonbon trugen seinen Namen, Biographien erschienen, ein Sportroman erzählte von ihm. Ein Bildhauer meißelte Shakespeare und Uridil aus Stein, im Theseustempel stellte man ihm zu Ehren eine Sonderausstellung zusammen. Porträtmaler pinselten ihn ab, der «internationale Großfilm» Pflicht und Ehre stellte ihn ins Zentrum.» So steht es in «100 Jahre Rapid» von Karl Koban. Peter Linden legt in «100 Stars in Grün-Weiß» noch einen drauf: «Mit dem großen Hans Moser trat er gemeinsam im Kabarett auf. War er einmal verletzt, standen die Fans vor dem Krankenzimmer Schlange, und Uridil gab im Spital Autogrammstunden.»

Dennoch schien Uridil, Schöneckers Meinung nach, seine Leistung zu bringen. Der Einsatz stimmte, der Umsatz sicher auch. «Dionys Schönecker verfolgte kein pädagogisches Programm, Schönecker wollte bloß, dass Rapid der beste Fußballklub der Welt wird», wie es in «100 Jahre Rapid» heißt.

Rapid-Geist

Das ist sich zwar noch nicht ganz ausgegangen, aber das Ergebnis kann sich trotzdem sehen lassen. Und seit 2011 auch anschauen. Im Rapideum unter der Haupttribüne des Hanappi-Stadions. Dort wird man zum einen von Dionys Schönecker als Bronzestatue empfangen, zum anderen vom gut gelaunten Markus Lenzenhofer. Er hat sich bereit erklärt, im schicken Vereinsmuseum etwas über den «Mister Rapid» zu erzählen, will sich aber nicht mit fremden Federn schmücken: «Was wir hier sehen, haben die Kuratoren Leitgeb und Jacono zusammengetragen. Das sind auch die wahren Experten.» So schlecht kennt sich Lenzenhofer aber auch nicht aus, wie bald klar wird. Und er weiß die Materie zu vermitteln.

Auf die Frage, was denn heute noch von Dionys Schönecker zu lernen sei, legt er enthusiastisch los: «Wir machen hier ja auch Kinderführungen. Ich sage denen immer: Es ist zwar schön, wenn ihr euch Barcelona im Fernsehen anschaut. Aber wenn ihr ausschaltet, ist das weg. Wenn ihr aber im Sinne Schöneckers und des Rapid-Geists gemeinsam für etwas kämpft, und das dann auch erreicht, ist das ein ganz anderes Gefühl.»

Ein besonders schmuckes Exponat des Museums ist Schöneckers Taschenuhr. Der gelernte Schriftsetzer arbeitet später als Geschäftsführer eines feinen Herrenausstatters in der Innenstadt und war stets adrett gekleidet. Das half dem von der Schmelz zugezogenen Repräsentanten eines Arbeitervereins die auch damals schon betuchteren Bewohner des 14. Bezirks für die Rapid zu gewinnen. Schönecker konnte die noblen Eingeborenen in das Arbeitermilieu einbinden, indem er sie als «geistige Arbeiter» adelte. Man dankte es mit finanzieller Nestwärme.

Schönecker Update

Man kann Lenzenhofer mit diversen «Was würde Schönecker tun?»-Fragen quälen, der Mann bleibt freundlich. «Ich finde, dass ganz viel von ihm auch aktuell noch von Belang ist.» Umgelegt auf sein früheres Handeln, würde Schönecker wohl das Hanappi verlassen und woanders ein neues, größeres Stadion hinstellen. Vermutlich würde er auch den Stadionnamen verhökern, wenn das Geld stimmt. Das sage ich, Lenzenhofer pflichtet aber immerhin bei, dass der Sektionsleiter Sponsoring gegenüber sehr aufgeschlossen war.

Die Fans haben Schönecker erst im Februar mit einer großen Choreo und dem Spruchband «Wer zusammenhält, gewinnt» Tribut gezollt, was den Mann vom Rapideum besonders gefreut hat. Der Rapid-Geist wird beschworen, wie von Dionys Schönecker überliefert. Zusammenhalten, nie aufgeben, kämpfen bis zum Umfallen, Siegeswille, Gemeinschaftssinn. «Die eingeschworenen Fans leben das und geben alles für den Verein. Sie fordern das aber auch von den Spielern ein.» Lenzenhofer kann dann den Unmut der Fans verstehen. Fraglich bleibt, wie der selbst für damalige Zeiten als autoritär und beinhart geltende Schönecker mit Fanprotesten umgegangen wäre. Es bleibt ein Gedankenspiel, die Ultras traten bei Rapid erst 50 Jahre nach seinem Tod in Erscheinung.

Es ist nachvollziehbar, dass von Schöneckers Erbe vor allem die knackigen, markigen Sprüche in Erinnerung blieben. Sein Erfolg beruhte aber auch auf guter Nachwuchsarbeit, Kontinuität und umsichtigem Scouting. Er hatte zweifelsohne Geschäftssinn und gab alles, damit seine Rapid weiter wachsen konnte. Vielleicht würde er heute, 100 Jahre später, ganz andere Antworten auf dieselben Fragen finden? Und wie würde er es mit der Tradition halten?

Ich verbschiede mich vom Rapideum und dem netten Herrn Lenzenhofer, der mir noch den kurzen Weg zum Standort der Pfarrwiese weist, auf der Schönecker seine großen Erfolge feierte. Jetzt stehen dort eine Tennishalle und eine Wellblechwand, auf die leider noch niemand Dionys gesprüht hat.